Aus dem Sizilianischen Tagebuch: Palermo


Cappella Palatina, um 1150 (aus: Wikipedia)
Nicht nur die
griechischen und römischen Überrreste auf Sizilien, sondern auch – wie man heute sagen würde – das multikulturelle und
multireligiöse Palermo des Mittelalters ist ein Ort hoher Faszination. Ein „Spitzenerlebnis“ dürfte bei diesen historischen
Rundgängen die Palastkapelle von Palermo sein. In ihr befindet sich ein berühmtes Mosaik, auf dem der
iranische Dichter, Mathematiker und Astronom, Omar Khayyam (1048-1131) und
Johannes der Täufer auf den Christus Pantokrator zeigen, der als Weltenrichter
in byzantinischer Ikonografie in der Apsis dargestellt ist. Der Blick des
Christus aber geht in die Weite des Raumes auf die arabische Schriftornamentik,
die sich als „Allah“/ „Gott“ enschlüsselt. Dies ist vom orthodoxen,
lateinischen und islamischen Bild- und Theologieverständnis gleichermassen eine
Provokation. Hier setzte sich die von Gott geschenkte Freiheit des menschlichen
Geistes bis in den künstlerischen Ausdruck gegen dogmatische Engstirnigkeit
durch:

             Der
Schmutz mancher Strassen

             und das
Gold der Paläste,

             sie muss
es ertragen,

             Palermo,
gesetzt an des Pilgers Berg,

             und sie
erträgt’s,

             erträgt’s
mit Fassung,

             mit der Fassung
der alten Normannenkirchen,

             mit den
Mosaiksteinen Byzanz’,

             mit dem
schwingenden Barock

             ihrer
einladenden Plätze.

             Ihre
Beherrscher bauten,

             war sie
doch Sitz von Königen,

             und doch
nicht königlich,

             eher
Mischung der Handelskontore und Märkte,

             wie sich
in ihr einst fanden

             die
Religionen.

             So preisen
ihrer zwei in des Schlosses Kapelle

             den
göttlich Künftigen.

             Sie zeigen
gleichsinnend

             auf
Adonaj, auf Allah?

             Ganz
einfach: Auf Gott.

             Persischer
Dichter

             und
jüdisch-christlicher Prophet

             stehen Arm
in Arm vor dem Höchsten.

             Damals
klatschten Könige Beifall,

             heute
blicken Priester und Pfarrer

             eher
verschämt.

Erstfassung in: An-Deutungen. Iserlohn: Mönnig 1981, S. 40

This site is registered on wpml.org as a development site. Switch to a production site key to remove this banner.