Cover des Buches mit dem Untertitel: Stationen eines spirituellen Weges. Hg.: Christoph Quarch. München: Kösel 2005, 181 S., Abb. Rezension >>> |
Der Benediktinermönch und Zen-Meister Willigis Jäger (07.03.1925 – 20.03.2020) – mit seinem Zen-Namen: Kyo-un Rōshi – hat mit seiner
ganzen Person über Jahrzehnte deutlich gemacht, wie sehr der Brückenschlag
zwischen östlicher und westlicher Spiritualität zur Bereicherung der eigenen
Person und des eigenen spirituellen Lebens führt und vertiefende interreligiöse Möglichkeiten eröffnet; denn nicht die Dogmen sind entscheidend, sondern
die Erfahrung der „ewigen Weisheit“. So ist der christliche Theologe auch
gleichzeitig Zen-Meister geworden, als Christ uneingeschränkt akzeptiert von
Buddhisten. Dies hat ihm jedoch die Ausgrenzung und das Lehrverbot in der
katholischen Kirche eingebracht. Allerdings war und ist dies für ihn keineswegs
ein Hinderungsgrund, auf dem eingeschlagenen Weg weiter zu wandern und vielen
Menschen als spiritueller Ratgeber in Meditationen und Vorträgen zur Verfügung
zu stehen. Dank einer großzügigen Stifterin konnte der Benediktushof, ein ehemaliges Kloster in Holzkirchen bei Würzburg, zu einer Quelle west-östlicher Spiritualität werden.
Dort wird neben der Zen-Praxis u.a. auch Dionysius Areopagita, jener wirkungsmächtige neuplatonische Mystiker der Antike einbezogen.
Der Zen-Meditationsraum (Zendo / Dojo) im Benediktushof |
Jägers religiös-komplementärer Ansatz führt dazu, gerade in der Verbindung von Ost und West erneuernde Kraftquellen freizulegen, die Körper und Geist gleichermaßen einbeziehen.
Vgl.:
— Willigis Jäger – Spiritualität und Dialog
— Willigis Jäger / Betriace Grimm:
Der Himmel in dir. Einübung ins Körpergebet.
Im Interview anlässlich seines 90. Geburtstages wurde noch einmal besonders deutlich, dass die von Jäger favorisierte und gelebte Spiritualität Konfessionen und Grenzen überschreitet und damit eine wichtige, auch die Gesellschaft verändernde Friedenskraft sein kann.
Interreligiöses Symbol mit 5 Religionen am Eingang des Benediktus-Hofes |
Vgl. bereits die Veröffentlichungen:
— Zu seinem 80. Geburtstag:
Peter
Lengsfeld (Hg.): Mystik – Spiritualität der Zukunft. Erfahrung des Ewigen.
Pater Willigis Jäger OSB zum 80.
Geburtstag. Freiburg u.a.: Herder 2004, 413 S
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— Zu seinem 85. Geburtstag:
Willigis Jäger: Ewige
Weisheit. Das Geheimnis hinter allen spirituellen Wegen.
Redaktion: Christa
Spannbauer und Ursula Richard. Band 2 der Schriftenreihe „West-östliche
Weisheit Willigis Jäger Stiftung“. Mit Zeichnungen
von Katharina Shepherd-Kobel. München: Kösel 2010, 144 S.
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Weiteres zu Willigis Jäger und zum Benediktushof
— Östlich-westliche Weisheit – Willigis-Jäger-Stiftung >>>
— Willigis Jäger bei Wikipedia >>>
— Fernand Braun: Willigis Jäger (Kyo-un Roshi) –
Leben im Zeichen west-östlicher Weisheit.
In: Michael Klöcker / Udo Tworuschka (Hg.):
Handbuch der Religionen (HdR), XV-1.4.1 (EL 47, 2016, 20 S.)
Es liegen inzwischen zahlreiche Veröffentlichungen von Willigis Jäger zu diesem Themenbereich der inneren Verbindung von östlicher und westlicher Weisheit vor:
Willigis Jäger: Kleine Auswahl von Veröffentlichungen Buchauswahl bei Amazon >>> |
Willigis Jäger: Geh den inneren Weg.
Texte der Achtsamkeit und Konzentration.
Auswahl von Willigis Jäger, Nachwort von Alexander Podraj.
Freiburg u.a.: Herder 2019, 176 S.
Verlagsinformation, Inhaltsverzeichnis und Leseprobe >>>
Mir scheint in diesem Zusammenhang ein schon länger erschienenes kleines Buch die entscheidende Leitline im Denken und meditativen Handeln dieses Weisheitslehrers besonders deutlich auszudrücken:
Willigis Jäger:
Westöstliche Weisheit.
Visionen
einer integralen Spiritualität.
Stuttgart: Theseus (im Kreuz-Verlag) 2007, 128 S.,
Abb.
verschieden, oft unverträglich und auch manchmal widersprüchlich – und Gott sei
Dank, möchte ich hinzufügen, denn die ‚letzte Wirklichkeit’ ist unbegreiflich,
und jede Behauptung von ihr spiegelt nur eine Annäherung wider. Wenn die ganze
Welt nur einfarbig und die Menschen einstimmig wären, ginge nicht nur ein
großer Teil der Schönheit des Universums verloren, sondern es würde auch der
Reiz des Lebens verschwinden“ (S. 10).
auf Thomas von Aquin !
Was Willigis Jäger so erstaunlich gelingt, ist – von der Kritik der Religion her – ihren dualistischen Verengungen den Abschied zu geben. Gleichzeitig erweitert er in der Verbindung mit den neuen Erkenntnissen von Quantenphysik,
Astrophysik und Relativitätstheorie unser Bewusstsein und unser Weltbild
gleichermaßen.
Menschheitsfragen: Woher kommen wir? Wer sind wir? Warum sind wir hier? Wohin
gehen wir? Er spiegelt diese Fragen kritisch gegen die dogmatischen
Verhärtungen von Religion (im Teil 2), um im 3. Teil den Weg christlicher
Kontemplation in Konvergenz mit dem Zen zu gehen. Das hätte für die christliche
Kirche bisher Folgen zwingender Veränderung. Und so endet seine Vision einer
umfassenden, nicht ausgrenzenden Spiritualität („integral“) mit dem Wunsch
einer Transformation der Religion, „die von einem theistischen Gott zu einer
Seinserfahrung mit dem göttlichen Urprinzip führt“ (S. 122). Sieht man dieses
alles unter dem Verständnis der Non-Dualität, dann muss der Nächste nicht als
Objekt gesehen werden und die Erde nicht abständig als zu behandelnde Sache,
sondern es gibt nur die Erfahrung des „Mitseins“ (S. 122) in einem großen Zusammenhang.
dabei eine revolutionäre Kraft, die Menschen so verwandelt, dass sie in ihren
Erfahrungen alles Miteinander-Verbindende, das nicht mehr Definierbare, entdecken, welcher Religion
sie auch immer angehören mögen. Die Gefahren des Fundamentalismus durch
dogmatische Engführungen wie harmonisierende Religionsvermischung sind
gleichermaßen gebannt, weil sich der endliche Mensch im Unendlichen und im
absoluten Sein wieder erkennen darf: „Die äußere Form wird sterben – doch unser
Geist, der wir sind, ist unvergänglich und unzerstörbar“ (S. 112f).
eine eigenständige Spiritualität ermöglicht. Er lehrt damit, dass gerade die
theistisch geprägten Religionen auf die nicht-personalen Anstöße und
Bereicherungen durch östliche Erfahrungen und Praktiken nicht verzichten können
und dürfen. Was Jäger hier leistet, ist komplementäres Denken in universaler Weise und ihre
Realisierung in der meditativen Praxis.
wie eine komprimierte Zusammenfassung dessen, was – so ist zu hoffen – „vor
Ort“ schrittweise zu einer Transformation der Religion und damit auch der Kirchen führen wird. Der Impuls
dazu kommt aus dem gemeinsamen Wissen um das Eine und ist zugleich
Aufforderung, den Weg zum diesem „einen universalen Bewusstsein“ zu nehmen (S.
110). So wird dieses Büchlein zu einem spirituellen Vademecum über Konfessions-
und Religionsgrenzen hinaus.
Das Wort „Vademecum“ signalisiert dabei zugleich, dass mystische Erfahrung nicht in einer abgehobenen Sphäre zum Ausdruck kommt, sondern mitten im Alltag. Darauf sei deshalb noch auf ein Bändchen verwiesen, das Willigis Jäger zusammen mit dem Philosophen Christoph Quarch bewusst gemeinschaftlich geschrieben hat:
Christoph Quarch: „ …‚denn auch hier sind Götter“.
Wellness, Fitness
und Spiritualität.
Herder spektrum 5457. Freiburg u.a.:
Herder 2004, 141 S.

von Alltagserfahrungen, die in dem Satz gipfeln: „Später fragte ich mich, wo eigentlich der
Unterschied zwischen dem Erleben in der Kapelle und dem Erlebnis auf dem
Sportplatz lag? War denn das Psalmengebet etwas anderes als Fußballspielen? Im
Chor war es manchmal wie auf dem Fußballplatz. ES sang und rezitierte“ (Zitat aus „Leben
ist Religion“, 2005, S. 43, s.o.).
zu sprechen, indem Körperlichkeit, Sinnenhaftigkeit und die Wahrnehmung des
„Hier und Jetzt“ sowohl aus der Zen-Tradition, aber auch aus dem Bereich von
Wellness und Fitsein mit schönen Beispielen belegt wird: „Ich schwitze, also
bin ich“ (Sauna-Erfahrungen, S. 84ff); und fast daneben steht die Geschichte,
wie 16 buddhistische Heilige einmal im Bad die Erleuchtung erfuhren (S. 100ff).
Dies ist durchaus eine ermutigende Aussicht, weil es sich lohnt, auf die oft zu Recht gescholtene
Fitness-, Schönheits- und Wellnessmanie unter einem anderen Blickwinkel zu schauen: Die Wunder und Chancen des Alltags entstehen überall da, wo der Mensch sich mit Seele, Geist und Körper ohne
Vorbedingungen öffnet: er wird also achtsam! So zeigt sich, dass auch solche Wege zur Harmonie führen
können, und zwar in dem Augenblick, in dem die enge materiell orientierte Wirklichkeit überstiegen wird. Das geschieht nicht selten unverhofft; und so wird authentische Erfahrung von Transzendenz möglich.
Sie „offenbart“ sich als
„göttliche“ Weisheit und spirituelle Schönheit.