Im Überschneidungsfeld von Theologie und Literatur —- Die Bachl-Lectures (aktualisiert)


Gregor Maria
Hoff / Ulrich Winkler (Hg.):
Poesie der Theologie.
Versuchsanordnungen
zwischen Literatur und Theologie:

Bachl-Lectures 2007-2011



Salzburger Theologische Studien Bd. 45.
Innsbruck-Wien: Tyrolia
2012, 179 S.
— ISBN 978-3-7022-3192-7 —


Kurzrezension: hier



Ausführliche Beschreibung

Der
katholische Dogmatiker und Ökumeniker
Gottfried
Bachl
(geb. 1932 in Linz) gehört zu den weniger bekannten, aber doch
wichtigen Theologen im deutschsprachigen Raum, weil er praktische Erfahrung und
wissenschaftliche Theologie in vielfältiger Weise miteinander verbindet. So hat
er sich nicht nur mit seinen theologiegeschichtlichen Veröffentlichungen einen
Namen gemacht, sondern auch mit seinem engen Bezug zur Literatur. Dies drückt
sich sowohl in seinem ihm eigenen poetischen Stil wie in den Intentionen aus, dogmatische
Positionen zu hinterfragen und neu zu beziehen.

1997 wurde Bachl
mit dem Sexauer Gemeindepreis für
Theologie
ausgezeichnet und ihm damit die große Gemeindenähe seiner
Theologie bestätigt. Bachl gehört übrigens auch dem PEN-Club an. Die Salzburger
Universität hat es nun unternommen, die Mehrzahl der sog. Bachl-Lectures zum
80. Geburtstag von Gottfried Bachl zu dokumentieren. Herausgekommen ist ein
Kaleidoskop zwischen Theologie, Liturgie und Poesie. Damit wird zugleich ein
Signal gesetzt, dass der religiöse Bereich ständige Veränderungen braucht, um
durch unterschiedliche Sichtweisen, auch bewusste Irritationen, Glauben heute
überzeugend zu leben.
Um Gottfried
Bachl gewissermaßen theologisch und biografisch näher kennen zu lernen,
zeichnet der Salzburger Dogmatiker Alois
Halbmayr
ein Lebensporträt des 80jährigen. Er legt die Schwerpunkte auf
dessen Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus, um von dort aus seine geistigen
Grenzverschiebungen anzusprechen: „So galt Bachls theologisches Interesse nicht
nur den großen, ausgetretenen Pfaden der kirchlichen Tradition, sondern mit
gleicher Aufmerksamkeit auch den abgelegenen Wegen …“ (S. 13). Das führt zur
Konzentration auf die Gottesfrage, den Umgang mit den oft genug befremdlichen
Jesus, und zugleich die Auseinandersetzung in kritischer Zeitgenossenschaft. Das
Interview, vom Salzburger Dogmatiker und Mitherausgeber Ulrich Winkler geführt, macht in einer Art aktualisierenden
Fortsetzung nicht nur die Lebensstationen Bachls zwischen Oberösterreich, Rom
und Salzburg deutlich, sondern auch die zeitkritischen Impulse, die seine
Theologie bestimmen. Denn „es [ist] wohl an der Zeit , dieser Mündigkeit (sc.
in der Bildung) auch im religiösen Bereich zu entsprechen. Die längste Zeit war
der Klerus auch im religiösen Bereich der Dominator des Bildungswesens. Dass
diese Zeit vorbei ist, begrüße ich“ (S. 29).
Die zuerst
präsentierte Vorlesung des Tübinger Germanisten und katholischen Theologen Karl-Josef Kuschel aus dem Jahr 2007 bezieht
sich auf Krankheit, genauer auf den Krebs als Metapher: „… wenn Krebsausbruch
und Sterbensbeginn zusammenfallen, dann schlägt die Stunde der Literatur“ (S.
35). Das verdeutlicht Kuschel an Leo Tolstois Geschichte „Der Tod des Iwan
Iljitsch“, an der Krankengschichte „Die Betrogene“ von Thomas Mann, an
Alexander Solschenizyns „Die Krebsstation“ und Philip Roths „Das sterbende
Tier“. Während hier noch die Erzähler „außen vor“ bleiben, stellt Kuschel dann
beispielhaft Autoren vor, die zugleich Patienten sind: Fritz Zorn, Maxie Wander
und Peter Noll. Letztlich zeigen sie alle, um es mit Blaise Pascal zu sagen
„Elend und Größe des Menschen“ (S.
55). Wie Poesie und Liturgie im Sinne ästhetischer Wahrnehmung zusammenhängen,
beschreibt der Theologe und Didaktiker Alex
Stock
und verdeutlicht dies recht ungewöhnlich an Ernst Jandls hosi, am Sanctus der Messe und am Ave
Maria.
Es geht um Musikalität der Sprache, ihren Rhythmus und ihren Klang,
die manchmal unter Modernisierungsversuchen der Liturgie leiden. Auf anderem
Wege nähert sich der Augsburger Religionspädagoge Georg Langenhorst dem Thema: Wie gehen Schriftsteller/innen des 20.
Jahrhunderts mit der Frage nach Gott um? Wie kommt „Gott“ bei ihnen vor? Die
herangezogenen Beispiele zeigen eine Veränderung an. Wurde in den 50er Jahren
des 20. Jahrhunderts eher verdeckt oder von Gott als Vergessenem geredet, so
entwickelte sich eine neue Unbefangenheit in der 2. Jahrhunderthälfte, aber
dennoch in einer gewissen ambivalenten Distanziertheit. Das zeigt Langenhorst
besonders eindrücklich an Michael Krüger (geb. 1943), Hans Magnus Enzensberger
(geb. 1929) und an dem islamisch aufgewachsenen Exiliraner SAID (geb. 1947). In
einem Beitrag über Existenz und Transzendenz beim Schreiben experimentiert der
Schriftsteller Markus Orths
(Karlsruhe) mit den Begriffen (Selbst-)Offenbarung, Imagination und
Kommunikation in der Auseinandersetzung mit dem wirklichen Leben. Denn in literarischen
Texten wird das Sagbare hin zum Unsagbaren überstiegen (S. 105). Die Münchener
Literaturwissenschaftlerin Barbara
Vincken
stellt in ihrem Vortrag die christliche Maria der Anti-Maria Félicité in Gustave Flauberts „Coeur
simple“, entgegen. Neben einer kritischen Auseinandersetzung mit der Religion,
in der sich der christliche Gott als eine Metamorphose der heidnischen Götter
entpuppt (S.117), findet in dieser Erzählung – erotisch aufgeladen – eine
Erhöhung zum Tode als verzerrte Spiegelung der marianischen Verkündigungsszene
statt. Der Bildungsverantwortliche im Bistum Limburg, Eckard Nordhofen, spricht einen anderen Aspekt an: Er setzt sich in
kühner Interpretation mit der Rolle der Schrift im Monotheismus auseinander:
Der Mensch als Wesen, das mit Zeichen agiert, setzt diese mit Mund und Hand
konkret um. All dies wird schließlich in der Schrift fixiert und in der Kunst
„abgebildet“. In Abgrenzung vom Polytheismus werden in der Bibel schließlich
Götzenbilder der Lächerlichkeit preisgegeben (S. 131). Dies setzt sich im Neuen
Testament ungewöhnlich fort: Am Sinai wird das Goldene Kalb zermahlen und in
der Geschichte der Ehebrecherin löst der in den Sand schreibende Jesus die
festen Zeichen auf (S. 134ff). Es entsteht insgesamt ein Richtungswechsel von
Gott im Text (der Gebote) zu Gott im Fleisch (im Menschen Jesus). Die
Praktische Theologin Susanne Heine
(Wien) zeigt in ihren Gottes-Transformationen die Auswanderung des christlichen
Glaubens aus der christlichen Tradition in die Dichtkunst und in die Malerei,
und zwar an Robert Musil, Friedrich Schlegel und René Margritte. Zum Schluss
gibt der österreichische Theatermann und Schriftsteller Rudolf Habringer – von Kafka geprägt – Einblicke von eine
herbeiphantasierte Schreibwerkstatt als „Einkaufsquelle“ . Von dem dort
Mitgebrachten erhofft er sich, schöpferische Schreibimpulse zu erhalten und so auf
neue Weise zu kommunizieren.
Dieses Buch
erinnert daran, wie notwendig das Gespräch zwischen Theologe und Literatur ist
und unbedingt bleiben muss. Theologie lebt von der Sprache, darum braucht sie
die Literatur. Dorothee Sölle hätte sicher – wie immer eigenständig – mit eingestimmt.

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