Klaus von Stosch / Muna Tatari (Hg.): Gott und
Befreiung.Befreiungstheologische Konzepte in Islam und Christentum.
Beiträge zur Komparativen Theologie, Bd 5.
Paderborn: Schöningh 2012, 285 S., Personenregister — ISBN 978-3-506-77317-3 —
Kurzrezension: hier
Befreiung.Befreiungstheologische Konzepte in Islam und Christentum.
Beiträge zur Komparativen Theologie, Bd 5.
Paderborn: Schöningh 2012, 285 S., Personenregister — ISBN 978-3-506-77317-3 —
Kurzrezension: hier
Ausführliche Beschreibung
Der
hier vorliegende 5. Band aus der Reihe Beiträge
zur Komparativen Theologie nimmt ein wichtiges Thema auf, das im
Christentum und Islam eine herausragende Rolle spielt: Freiheit und Befreiung;
vgl. zur gesamten Reihe die Besprechung in „Ein-Sichten“:
http://buchvorstellungen.blogspot.de/2012/02/zwischen-glaubesngewissheit-und-gewalt.html
Befreiung
im Zusammenhang irdischer Gerechtigkeit und göttlicher Erlösung ist in den
Grundschriften des Christentums und des Islams fest verankert und ethisch
normgebend. Die hier aufgenommenen Beiträge befassen sich nicht nur mit
geschichtstheologischen Hintergründen, sondern fragen vielmehr, wie unter den
Bedingungen der Gegenwart im Islam und Christentum Theologie als Theologie der Befreiung
sich artikulieren kann und muss.
im Zusammenhang irdischer Gerechtigkeit und göttlicher Erlösung ist in den
Grundschriften des Christentums und des Islams fest verankert und ethisch
normgebend. Die hier aufgenommenen Beiträge befassen sich nicht nur mit
geschichtstheologischen Hintergründen, sondern fragen vielmehr, wie unter den
Bedingungen der Gegenwart im Islam und Christentum Theologie als Theologie der Befreiung
sich artikulieren kann und muss.
Die
Herausgeber, der Paderborner katholische Systematiker Klaus von Stosch und die
Islamwissenschaftlerin Muna Tatari (beide am Zentrum für
Komparative Theologie und Kulturwissenschaft der Universität Paderborn), verweisen
schon in der Einleitung auf das emanzipatorische Potential beider
Religionen. Im Verlauf der Darstellung wird bei einigen AutorInnen mit
geradezu systematischer Wucht deutlich, dass ein solch
komparativ-interreligiöser Ansatz aus der Einseitigkeit von Wahrheits- und
Absolutheitsansprüchen herausgeführt werden muss. Keine Position kann für sich also
Deutungshoheit beanspruchen. So können, vielleicht sogar müssen im Horizont des interreligiösen Dialogs
eigene theologische Positionen verändert werden. Nun handelt es sich hier zugleich um ein höchst
brisantes Thema, das dogmatische Verfechter beider Religionen immer wieder in
ihrem Sinne und oft genug rückwärtsgewandt auszulegen versuchen. Hinzu kommt,
dass nicht wenige der hier zu Worte kommenden Theologinnen und Theologen beider
Religionen selbst in befreiungstheologischen Zusammenhängen gegen Rassismus,
Unterdrückung und für die Rechte der Marginalisierten für die Armen gekämpft
haben und kämpfen.
Herausgeber, der Paderborner katholische Systematiker Klaus von Stosch und die
Islamwissenschaftlerin Muna Tatari (beide am Zentrum für
Komparative Theologie und Kulturwissenschaft der Universität Paderborn), verweisen
schon in der Einleitung auf das emanzipatorische Potential beider
Religionen. Im Verlauf der Darstellung wird bei einigen AutorInnen mit
geradezu systematischer Wucht deutlich, dass ein solch
komparativ-interreligiöser Ansatz aus der Einseitigkeit von Wahrheits- und
Absolutheitsansprüchen herausgeführt werden muss. Keine Position kann für sich also
Deutungshoheit beanspruchen. So können, vielleicht sogar müssen im Horizont des interreligiösen Dialogs
eigene theologische Positionen verändert werden. Nun handelt es sich hier zugleich um ein höchst
brisantes Thema, das dogmatische Verfechter beider Religionen immer wieder in
ihrem Sinne und oft genug rückwärtsgewandt auszulegen versuchen. Hinzu kommt,
dass nicht wenige der hier zu Worte kommenden Theologinnen und Theologen beider
Religionen selbst in befreiungstheologischen Zusammenhängen gegen Rassismus,
Unterdrückung und für die Rechte der Marginalisierten für die Armen gekämpft
haben und kämpfen.
I. Unterwegs zu einer islamischen Theologie der
Befreiung
Befreiung
Schon
der erste Beitrag des südafrikanischen islamischen Theologen Farid
Esack lässt aufhorchen: Er gehörte zu den engagierten Gegnern des
Apartheid-Regimes. Seine Argumentation ist deutlich: Er vertritt eine
gegenwartsbezogene Koranauslegung im Sinne einer islamischen
Befreiungstheologie. Diese erfordert eine befreiende Praxis, wie dies übrigens
auch in der biblischen Exodustradition zum Ausdruck kommt. Mehr zu Farid Esack:
http://www.rpi-virtuell.net/workspace/CFF7AB46-2FDA-475C-A6C7-3F92D3174C51/Publ-INTR%C2%B0A-Mitgl/Esack-Hermeneutik.pdf
der erste Beitrag des südafrikanischen islamischen Theologen Farid
Esack lässt aufhorchen: Er gehörte zu den engagierten Gegnern des
Apartheid-Regimes. Seine Argumentation ist deutlich: Er vertritt eine
gegenwartsbezogene Koranauslegung im Sinne einer islamischen
Befreiungstheologie. Diese erfordert eine befreiende Praxis, wie dies übrigens
auch in der biblischen Exodustradition zum Ausdruck kommt. Mehr zu Farid Esack:
http://www.rpi-virtuell.net/workspace/CFF7AB46-2FDA-475C-A6C7-3F92D3174C51/Publ-INTR%C2%B0A-Mitgl/Esack-Hermeneutik.pdf
Klaus
von Stosch
reagiert darauf unter Betonung der hermeneutischen Instrumente, besonders des tawhid ( = Einzigkeit Gottes), die eine
solche islamische Befreiungstheologie begünstigen. Shadaab Rahemtullah,
kanadischer Muslim, derzeit in Oxford promovierend, setzt sich ebenfalls mit
Farid Esack auseinander, indem er die Differenzen im Verständnis biblischer und
koranischer Texte heraushebt. Der Schatten eines universale Ansprüche
erhebenden (kolonialistischen) Christentums darf jedoch nicht dazu führen, nun
muslimische Exklusivität einzufordern.
Hamideh
Mohagheghi (ebenfalls Universität Paderborn) kommt aus der schiitischen
Tradition und stellt die iranischen Theologen Mohammed M. Schabestari und H.
Mohsen Kadivar einander gegenüber. Sie verweist auf die Bedeutung der
Gerechtigkeit in der schiitischen Tradition. Die Autorin kann von daher bei
beiden zeigen, in welcher Weise sie sich gegen religiös-politische
Absolutheitsansprüche wehren, ohne die Grundgedanken einer islamischen
Revolution zu negieren. Schabestari betont stärker die Menschenrechte als
einzige sichere Basis für Gerechtigkeit. Die im Koran und in den
Menschenrechten zum Ausdruck kommende Freiheit ist Voraussetzung für Glauben
überhaupt. Anna-Maria Fischer (ebenfalls Universität Paderborn) setzt im
Sinne einer Gesprächsanknüpfung befreiungstheologische Überlegungen im
iranischen Kontext fort: Die genannten iranischen Reformtheologen sind
offensichtlich Befreiungstheologen, und zwar in der doppelten Ausrichtung, spirituell-mystisch
und gesellschaftlich praktisch. Mouhanad Khorchide, in Münster für
die islamische Religionslehrerausbildung zuständig, äußert sich insgesamt
zurückhaltend über eine Befreiungstheologie und der exklusiven Option für die
Armen. Er betont unter Berufung auf den Koran die geistige Befreiung, der die
soziale Befreiung korrespondieren muss. Er verdeutlicht dies am arabischen
Frühling und der Rolle der Theologie: Glaube und Freiheit gehören generell
zusammen. So sieht er die theologische Privilegierung der Armen als Problem,
weil im Reich Gottes ja die Armen nicht mehr arm sind. Hier scheint
offensichtlich noch Diskussionsbedarf zu liegen, weil das religiöse Engagement
für die Armen schließlich unter den Bedingungen der Gerechtigkeit für alle
geschieht.
von Stosch
reagiert darauf unter Betonung der hermeneutischen Instrumente, besonders des tawhid ( = Einzigkeit Gottes), die eine
solche islamische Befreiungstheologie begünstigen. Shadaab Rahemtullah,
kanadischer Muslim, derzeit in Oxford promovierend, setzt sich ebenfalls mit
Farid Esack auseinander, indem er die Differenzen im Verständnis biblischer und
koranischer Texte heraushebt. Der Schatten eines universale Ansprüche
erhebenden (kolonialistischen) Christentums darf jedoch nicht dazu führen, nun
muslimische Exklusivität einzufordern.
Hamideh
Mohagheghi (ebenfalls Universität Paderborn) kommt aus der schiitischen
Tradition und stellt die iranischen Theologen Mohammed M. Schabestari und H.
Mohsen Kadivar einander gegenüber. Sie verweist auf die Bedeutung der
Gerechtigkeit in der schiitischen Tradition. Die Autorin kann von daher bei
beiden zeigen, in welcher Weise sie sich gegen religiös-politische
Absolutheitsansprüche wehren, ohne die Grundgedanken einer islamischen
Revolution zu negieren. Schabestari betont stärker die Menschenrechte als
einzige sichere Basis für Gerechtigkeit. Die im Koran und in den
Menschenrechten zum Ausdruck kommende Freiheit ist Voraussetzung für Glauben
überhaupt. Anna-Maria Fischer (ebenfalls Universität Paderborn) setzt im
Sinne einer Gesprächsanknüpfung befreiungstheologische Überlegungen im
iranischen Kontext fort: Die genannten iranischen Reformtheologen sind
offensichtlich Befreiungstheologen, und zwar in der doppelten Ausrichtung, spirituell-mystisch
und gesellschaftlich praktisch. Mouhanad Khorchide, in Münster für
die islamische Religionslehrerausbildung zuständig, äußert sich insgesamt
zurückhaltend über eine Befreiungstheologie und der exklusiven Option für die
Armen. Er betont unter Berufung auf den Koran die geistige Befreiung, der die
soziale Befreiung korrespondieren muss. Er verdeutlicht dies am arabischen
Frühling und der Rolle der Theologie: Glaube und Freiheit gehören generell
zusammen. So sieht er die theologische Privilegierung der Armen als Problem,
weil im Reich Gottes ja die Armen nicht mehr arm sind. Hier scheint
offensichtlich noch Diskussionsbedarf zu liegen, weil das religiöse Engagement
für die Armen schließlich unter den Bedingungen der Gerechtigkeit für alle
geschieht.
II. Christliche Theologie der Befreiung in der
Gegenwart
Gegenwart
Stefan
Silber
(Sailauf bei Aschaffenburg), exzellenter Kenner der lateinamerikanischen
Theologie der Befreiung, gibt zur Einführung einen Überblick über die
Entwicklung und Aktualität befreiungstheologischer Strömungen seit Gustavo Gutiérrez.
Diese umstrittene, abgelehnte und bekämpfte theologische Richtung bleibt eine
ständige Herausforderung der Kirche, und zwar im Sinne der konsequenten Option
für die Armen: Spirituelle Erfahrung (besonders der Basisgemeinden) setzt sich
gesellschaftspolitisch um im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung. Sie
nimmt in letzter Zeit jedoch auch bewusst die anderen (teilweise alten)
religiösen Traditionen des Kontinents auf, bleibt nach der Meinung des Autors aber
insgesamt eine (bewusst) christliche Theologie.
Mit einer religionstheologisch und
weiter gefassten und faktisch interreligiösen Intention untersucht der
kirchenkritische katholische Theologe und Religionswissenschaftler Juan
José Tamayo (Universität Carlos III., Madrid) die Wirkungen der
Befreiungstheologie. Sie ist keineswegs tot. Zwar wirft ihr der Vatikan
Spaltung, Beleidigung und Anarchie vor, aber das kann die Dynamik dieser Theologie
nicht hindern. Denn ihr wohnt ein Wesenselement des Evangeliums glaubwürdig
inne: Die Absage an eine Kultur des Habens hin zu einer Kultur der Genügsamkeit.
Hier wendet sich kirchlicher Absolutheitsanspruch („Außerhalb der Kirche kein
Heil“) zugunsten der Aussage: „Außerhalb der Armen gibt es kein Heil“ (S.
133ff). Nicht der individualisierte Mensch steht im Mittelpunkt, sondern der
Kosmos als ganzer mit den Menschenrechten und den Rechten der Erde. Hier
entwickelt sich ein Pluralismus mit einer Nähe zu anderen religiösen
Traditionen, die in ähnlicher Weise Mitgefühl für die Marginalisierten fordern
und sich gegen die Ausbeutung von Menschen und den Ressourcen der Erde wehren.
Eine Rückfrage an die sog. 1. Welt kann da nicht ausbleiben.
Die katholische
Religionslehrerin Franziska Knob (Köln) zeigt darum ähnlich wie J.J. Tamayo auf,
dass der Weg vom isolierenden Individualismus zurück zur Gemeinschaft als eine
Kultur der Genügsamkeit gestaltet werden muss, ähnlich wie dies übrigens die
Losung des Evangelischen Kirchentags in Hamburg 2013 zum Ausdruck bringt: Soviel du brauchst (2. Mose 16,18). Eine
bisher monozentristisch Kirche muss sich erweitern zu einem interkulturellen
Christentum, das des Mitgefühls nicht nur fähig ist, sondern dies umsetzt in
geschwisterlicher (übrigens nicht nicht nur brüderlicher) Verantwortung (vgl.
S. 153f).
Die evangelische Theologin Sabine Plonz (Comenius-Institut und
Universität Münster) nimmt ebenfalls die von J.J. Tamayo schon angesprochene
Gender-Problematik im christlichen Kontext auf. Sie bezieht sich auf die
kritischen Einwände feministischer Autorinnen und betont, dass die Befreiungstheologie
noch stärker feministisch werden sollte. Im Sinne von Karl Barth muss solche
Theologie zugleich religionskritisch sein. Sie möchte dazu in die Richtung
einer interkulturellen Christologie ohne (Herrscher-)Bilder gehen.
Einer
solchen kritischen Einschätzung folgt auch die katholische Theologin Anne
Weber (Universität Paderborn). Sie versucht in ihrer Antwort auf Sabine
Plonz eine Art liberaler systematischer Theologie zu entwickeln, die feministische
Ansätze bewusst einbezieht. Sie versucht mit innertrinitarischen und
christologischen Kurzreflexionen Differenz und Andersartigkeit
religionsdialogisch nutzbar zu machen: „Die Ermöglichung einer befreiten und
befreienden Gemeinschaft kann und muss demnach offensichtlich konfessions- und
in letzter Konsequenz religionsübergreifend sein, insofern es … um die Gemeinschaft
mit allen Menschen geht“ (S. 176.). Ob nicht hier ein religionspluralistisch
theo-logischer Ansatz doch hilfreicher wäre?
Silber
(Sailauf bei Aschaffenburg), exzellenter Kenner der lateinamerikanischen
Theologie der Befreiung, gibt zur Einführung einen Überblick über die
Entwicklung und Aktualität befreiungstheologischer Strömungen seit Gustavo Gutiérrez.
Diese umstrittene, abgelehnte und bekämpfte theologische Richtung bleibt eine
ständige Herausforderung der Kirche, und zwar im Sinne der konsequenten Option
für die Armen: Spirituelle Erfahrung (besonders der Basisgemeinden) setzt sich
gesellschaftspolitisch um im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung. Sie
nimmt in letzter Zeit jedoch auch bewusst die anderen (teilweise alten)
religiösen Traditionen des Kontinents auf, bleibt nach der Meinung des Autors aber
insgesamt eine (bewusst) christliche Theologie.
Mit einer religionstheologisch und
weiter gefassten und faktisch interreligiösen Intention untersucht der
kirchenkritische katholische Theologe und Religionswissenschaftler Juan
José Tamayo (Universität Carlos III., Madrid) die Wirkungen der
Befreiungstheologie. Sie ist keineswegs tot. Zwar wirft ihr der Vatikan
Spaltung, Beleidigung und Anarchie vor, aber das kann die Dynamik dieser Theologie
nicht hindern. Denn ihr wohnt ein Wesenselement des Evangeliums glaubwürdig
inne: Die Absage an eine Kultur des Habens hin zu einer Kultur der Genügsamkeit.
Hier wendet sich kirchlicher Absolutheitsanspruch („Außerhalb der Kirche kein
Heil“) zugunsten der Aussage: „Außerhalb der Armen gibt es kein Heil“ (S.
133ff). Nicht der individualisierte Mensch steht im Mittelpunkt, sondern der
Kosmos als ganzer mit den Menschenrechten und den Rechten der Erde. Hier
entwickelt sich ein Pluralismus mit einer Nähe zu anderen religiösen
Traditionen, die in ähnlicher Weise Mitgefühl für die Marginalisierten fordern
und sich gegen die Ausbeutung von Menschen und den Ressourcen der Erde wehren.
Eine Rückfrage an die sog. 1. Welt kann da nicht ausbleiben.
Die katholische
Religionslehrerin Franziska Knob (Köln) zeigt darum ähnlich wie J.J. Tamayo auf,
dass der Weg vom isolierenden Individualismus zurück zur Gemeinschaft als eine
Kultur der Genügsamkeit gestaltet werden muss, ähnlich wie dies übrigens die
Losung des Evangelischen Kirchentags in Hamburg 2013 zum Ausdruck bringt: Soviel du brauchst (2. Mose 16,18). Eine
bisher monozentristisch Kirche muss sich erweitern zu einem interkulturellen
Christentum, das des Mitgefühls nicht nur fähig ist, sondern dies umsetzt in
geschwisterlicher (übrigens nicht nicht nur brüderlicher) Verantwortung (vgl.
S. 153f).
Die evangelische Theologin Sabine Plonz (Comenius-Institut und
Universität Münster) nimmt ebenfalls die von J.J. Tamayo schon angesprochene
Gender-Problematik im christlichen Kontext auf. Sie bezieht sich auf die
kritischen Einwände feministischer Autorinnen und betont, dass die Befreiungstheologie
noch stärker feministisch werden sollte. Im Sinne von Karl Barth muss solche
Theologie zugleich religionskritisch sein. Sie möchte dazu in die Richtung
einer interkulturellen Christologie ohne (Herrscher-)Bilder gehen.
Einer
solchen kritischen Einschätzung folgt auch die katholische Theologin Anne
Weber (Universität Paderborn). Sie versucht in ihrer Antwort auf Sabine
Plonz eine Art liberaler systematischer Theologie zu entwickeln, die feministische
Ansätze bewusst einbezieht. Sie versucht mit innertrinitarischen und
christologischen Kurzreflexionen Differenz und Andersartigkeit
religionsdialogisch nutzbar zu machen: „Die Ermöglichung einer befreiten und
befreienden Gemeinschaft kann und muss demnach offensichtlich konfessions- und
in letzter Konsequenz religionsübergreifend sein, insofern es … um die Gemeinschaft
mit allen Menschen geht“ (S. 176.). Ob nicht hier ein religionspluralistisch
theo-logischer Ansatz doch hilfreicher wäre?
III. Kontexte einer Theologie der Befreiung:
Spiritualität – Pädagogik – interreligiöse Perspektiven
Spiritualität – Pädagogik – interreligiöse Perspektiven
Von
islamischer Seite hofft Halima Krausen (Imamin, Akademie der
Weltreligionen Hamburg) angesichts traditionell geprägter europäischer Muslime
auf eine spirituelle Veränderung. Diese sollte es ermöglichen,
befreiungstheologische Motive in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vom
Verständnis der Einzigkeit Gottes her (tawhid)
zu realisieren. Vorbilder aus der Geschichte des Islam gibt es dazu besonders
in der mystischen Tradition und auch in hermeneutischen Neuansätzen wie
denjenigen von Amina Wadud, Asma Barlas, Farid Esack, Farish A. Noor oder
Khaled Abou El-Fadl (S. 192f.).Die katholische Religionslehrerin Katharina
Lammers (Universität Paderborn) bezieht sich auf die Betonung von tawhid bei Halima Krausen und macht
gegen deren Zuspitzung auf die Einheit Gottes (tawhid) trinitätstheologische Bedenken geltend, als würde mit dem
Einheitsgedanken die Vielfalt gefährdet. Darum versucht sie ebenfalls,
panentheistische Tendenzen in der Mystik abzuwehren.
islamischer Seite hofft Halima Krausen (Imamin, Akademie der
Weltreligionen Hamburg) angesichts traditionell geprägter europäischer Muslime
auf eine spirituelle Veränderung. Diese sollte es ermöglichen,
befreiungstheologische Motive in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vom
Verständnis der Einzigkeit Gottes her (tawhid)
zu realisieren. Vorbilder aus der Geschichte des Islam gibt es dazu besonders
in der mystischen Tradition und auch in hermeneutischen Neuansätzen wie
denjenigen von Amina Wadud, Asma Barlas, Farid Esack, Farish A. Noor oder
Khaled Abou El-Fadl (S. 192f.).Die katholische Religionslehrerin Katharina
Lammers (Universität Paderborn) bezieht sich auf die Betonung von tawhid bei Halima Krausen und macht
gegen deren Zuspitzung auf die Einheit Gottes (tawhid) trinitätstheologische Bedenken geltend, als würde mit dem
Einheitsgedanken die Vielfalt gefährdet. Darum versucht sie ebenfalls,
panentheistische Tendenzen in der Mystik abzuwehren.
Thorsten Knauth (evangelischer Theologe an der
Universität Duisburg-Essen), geht die Thematik von der Seite der
Religionspädagogik an, in dem er sich für eine Revision der problemorientierten
Religionspädagogik einsetzt. Dadurch kann diese im Blick auf die Menschenrechte
und den Gedanken sozialer Gerechtigkeit sensibilisiert werden. Für die
Religionslehrerausbildung bedeutet dies, dass es um eine „Praktische Theologie
der Einmischung“ geht, die als dialogisches Lernen im Religionsunterricht
entsprechend umgesetzt werden will, und zwar unter dem Leitmotiv von
Barmherzigkeit und solidarischer Verantwortung (S. 217), angesichts
„heterogener Kontexte“ (S. 219).
Tuba Işik (Universität Paderborn)
führt die Überlegungen Knauths kritisch weiter. Islamische
religionspädagogische Konzepte brauchen adäquate Ansätze, um „das überwiegend
christliche Ausbildungsmonopol zu überwinden“ (S.228). Religiöse Pluralität muss
sich auch im Stundenplan der Schule niederschlagen.
Universität Duisburg-Essen), geht die Thematik von der Seite der
Religionspädagogik an, in dem er sich für eine Revision der problemorientierten
Religionspädagogik einsetzt. Dadurch kann diese im Blick auf die Menschenrechte
und den Gedanken sozialer Gerechtigkeit sensibilisiert werden. Für die
Religionslehrerausbildung bedeutet dies, dass es um eine „Praktische Theologie
der Einmischung“ geht, die als dialogisches Lernen im Religionsunterricht
entsprechend umgesetzt werden will, und zwar unter dem Leitmotiv von
Barmherzigkeit und solidarischer Verantwortung (S. 217), angesichts
„heterogener Kontexte“ (S. 219).
Tuba Işik (Universität Paderborn)
führt die Überlegungen Knauths kritisch weiter. Islamische
religionspädagogische Konzepte brauchen adäquate Ansätze, um „das überwiegend
christliche Ausbildungsmonopol zu überwinden“ (S.228). Religiöse Pluralität muss
sich auch im Stundenplan der Schule niederschlagen.
In
seinem zweiten Beitrag dieses Buches geht Juan José Tamayo den
Befreiungstendenzen beider Religionen nach und zeigt, wie der Friedensgedanke
in den jeweiligen Traditionen mehr und mehr Gestalt gewinnt. Das gilt auch im
Blick auf eine gerechtere Wirtschaftsordnung, für den Dialog der Kulturen und
für feministische Strömungen und deren Hermeneutik. Angesichts patriarchal
geprägter Auslegungsgeschichte wird eine Hermeneutik des Verdachts notwendig.
Sie ist mit der Relativierung von Schriftenautorität zugunsten der
Berücksichtigung gesellschaftlicher, geschichtlicher Umstände verbunden,
besonders gegen Frauenunterdrückung und im Sinne einer kreativen Aktualisierung
und Stärkung emanzipatorischer Bewegungen. Es geht darum, gerechte, friedvolle,
befreiende Ordnungen zu entwickeln, wofür eine Theologie der Religionen
einzustehen hat. Mehr zu Tamayo unter:
http://textmaterial.blogspot.de/2012/06/eine-andere-theologie-ist-moglich-juan.html
seinem zweiten Beitrag dieses Buches geht Juan José Tamayo den
Befreiungstendenzen beider Religionen nach und zeigt, wie der Friedensgedanke
in den jeweiligen Traditionen mehr und mehr Gestalt gewinnt. Das gilt auch im
Blick auf eine gerechtere Wirtschaftsordnung, für den Dialog der Kulturen und
für feministische Strömungen und deren Hermeneutik. Angesichts patriarchal
geprägter Auslegungsgeschichte wird eine Hermeneutik des Verdachts notwendig.
Sie ist mit der Relativierung von Schriftenautorität zugunsten der
Berücksichtigung gesellschaftlicher, geschichtlicher Umstände verbunden,
besonders gegen Frauenunterdrückung und im Sinne einer kreativen Aktualisierung
und Stärkung emanzipatorischer Bewegungen. Es geht darum, gerechte, friedvolle,
befreiende Ordnungen zu entwickeln, wofür eine Theologie der Religionen
einzustehen hat. Mehr zu Tamayo unter:
http://textmaterial.blogspot.de/2012/06/eine-andere-theologie-ist-moglich-juan.html
Im
Schlussbeitrag stellt die Mitherausgeberin Muna Tatari den „Vater“ der christlichen
und den Protagonisten islamischer Befreiungstheologie einander gegenüber:
Gustavo Gutiérrez und Farid Esack. Nach einer knappen Positionsdarstellung
beider formuliert sie Gemeinsamkeiten und Anfragen, die letztlich um das
Verhältnis von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit kreisen. Wäre es nicht
sinnvoll, angesichts von Gottes Nähe im Menschen auch zu denken, dass Befreiung
um Gottes Willen geschehen müsste?
Das ist ein provozierender Gedanke, mit dem das Buch endet und zum Weiterdenken
im christlich-islamischen Gespräch herausfordert.
Schlussbeitrag stellt die Mitherausgeberin Muna Tatari den „Vater“ der christlichen
und den Protagonisten islamischer Befreiungstheologie einander gegenüber:
Gustavo Gutiérrez und Farid Esack. Nach einer knappen Positionsdarstellung
beider formuliert sie Gemeinsamkeiten und Anfragen, die letztlich um das
Verhältnis von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit kreisen. Wäre es nicht
sinnvoll, angesichts von Gottes Nähe im Menschen auch zu denken, dass Befreiung
um Gottes Willen geschehen müsste?
Das ist ein provozierender Gedanke, mit dem das Buch endet und zum Weiterdenken
im christlich-islamischen Gespräch herausfordert.
Wie
unterschiedlich die theologischen Denkbewegungen und -konstrukte der einzelnen
AutorInnen auch sind, man merkt, dass die adäquaten befreiungstheologischen und
feministischen Auslegungsmöglichkeiten von Koran und Bibel noch keineswegs
ausgeschöpft sind. Hier aber ist Weiterarbeit dialogisch-theologisch und
praktisch-gesellschaftlich notwendig im Sinne der Option für die Armen und für
ein konsequentes Engagement, das Gerechtigkeit für alle Menschen einleitet. Die
Anstöße aus diesem Buch sollten darum keinesfalls nur dem innertheologischen
Diskurs vorbehalten bleiben.
unterschiedlich die theologischen Denkbewegungen und -konstrukte der einzelnen
AutorInnen auch sind, man merkt, dass die adäquaten befreiungstheologischen und
feministischen Auslegungsmöglichkeiten von Koran und Bibel noch keineswegs
ausgeschöpft sind. Hier aber ist Weiterarbeit dialogisch-theologisch und
praktisch-gesellschaftlich notwendig im Sinne der Option für die Armen und für
ein konsequentes Engagement, das Gerechtigkeit für alle Menschen einleitet. Die
Anstöße aus diesem Buch sollten darum keinesfalls nur dem innertheologischen
Diskurs vorbehalten bleiben.
Reinhard Kirste
Rz-Stosch-Befreiung, 22.01.13
Rz-Stosch-Befreiung, 22.01.13