Bertram Schmitz: Transzendente Zugänge – Horizonterweiterungen durch religiöse Kunst

Bertram Schmitz:
Religion als
Kunst.
Von der
religionswissenschaftlichen Theorie bis zum interreligiösen
Kunstwerk

Baden-Baden: Tectum –
ein Verlag in der Nomos
Verlagsgesellschaft 2022,
XII + 354 S., Abb., Register

ISBN 978-3-8288-4717-0

Verlagsinformation 

Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis

Mehr zum Autor
Prof. Dr. Dr. Bertram Schmitz,
Universität Jena

Buchempfehlung von
Prof. Dr. Dr. Peter Antes, Hannover

Das Buch besteht neben einem
Vorwort und einer
Hinführung im Wesentlichen aus drei Teilen:
Teil A: Die Distanz:
der
religionswissenschaftliche Zugang;
Teil B: Innenperspektiven –
Der religiöse
Zugang zu Kunst;
Teil C: Der praktische Zugang eines
interreligiösen Kunstwerks
der 57. Sure des Koran.
Ein Literaturverzeichnis und ein
Register schließen das
Werk ab.

In Teil A wird über das
Verhältnis von Religion und
Kunst gesagt: „beide leben eigentlich von ihrem
Verweischarakter: Sie weisen
über sich hinaus, sei es auf eine Idee, mitunter in der Kunst
auf Schönheit im
weitesten Sinn, auf einen Gedanken, eine Gestalt der
Transzendenz oder eine
weitere Sicht der Wirklichkeit. […] 
Religiöse Kunst reicht zumindest von ihrem eigentlichen
Anspruch her und
zumindest implizit in die Transzendenz hinein. Der religiöse
Kunstgegenstand
verweist auf etwas, das in sich nicht vollständig sichtbar,
nicht benennbar ist
und doch eine (je spezifische) religiöse Wirklichkeit (Nirvana,
Erlösung,
Gottesgegenwart etc.) meint.“ (S. 10f) „Religiös ist
diese Kunst ab dem
Moment, von dem ausgehend sie in eine religionsgebundene
Transzendenz verweist
und in dieser Religion angenommen wird.“ (S. 22) „So gesehen ist
Kunst als
religiöse Kunst grundsätzlich hinweisend – gemäß der
entsprechenden Intention
und dem Kontext innerhalb der Religion verweist sie auf die
Transzendenz.
Selbstverständlich kann ein Gegenstand religiöser Kunst
als Objekt der
Kunst oder Kultur betrachtet und als solcher in die Vitrine
eines Museums
gestellt werden. Damit ist der grundsätzliche
Verweisungscharakter des Gegenstandes
nicht aufgehoben, es wird aber durch dessen Isolierung elementar
über ihn
hinweggegangen. Die Kontextbeziehungen, die ihm zuvor zukamen,
sind aufgelöst:
Der Gegenstand befindet sich nun nicht mehr im Tempel, wo er
beispielsweise
gläubigen Hindus gegenübersteht, sondern befindet sich in einem
Glaskasten und
wird von Kunst- und Kulturinteressierten betrachtet.“ (S. 25)

An gut ausgewählten
Beispielen wird in diesem ersten
Teil gezeigt, was der Transzendenzbezug konkret beinhaltet. So
etwa heißt es zu
Nataraja, dem tanzenden Shiva im Hinduismus: „In ihm, vielmehr
in der bekannten
meisterhaften Bronzeskulptur des 12. Jahrhunderts, welche eine
Pose aus diesem
Tanz darstellt, hat der Gott, vierarmig, in seiner rechten
hinteren Hand die
Damaru-Trommel, mit deren Klang er die Schöpfung einleitet, in
seiner linken hinteren
Hand das Feuer, mit dem er sie wieder zerstört – während er die
Gebärde der Furchtlosigkeit
macht, die linke vordere Hand zusammen mit dem erhobenen Bein,
die Möglichkeit
zur Erlösung (durch Bhakti) signalisiert und sein (linkes)
Standbein den Dämon
der Nachlässigkeit (apasmara) niederhält. Um ihn herum ist der
Feuerkreis des
Samsara.“ (S. 52) Und das Kreuz im Christentum fasst die Lehre
über Jesus
Christus zusammen: „christlich gesprochen, die entscheidenden
Momente seines
Wirkens, Sterbens und seiner Auferstehung und damit die Hingabe
Christi in den
Tod zur Vergebung der Sünden der Menschheit und seine
Auferweckung durch Gott
zum ewigen Leben.“ (S. 59)

„Der innenperspektive Zugang
zu Religionen und damit
auch zu religiöser Kunst unterscheidet sich grundsätzlich vom
distanzierten
religionswissenschaftlichen Zugang. Bei der Gegenüberstellung
von Kunstwerken
der eigenen mit solchen anderer Religionen wird im religiösen
Verständnis von
den Grundlagen der je eigenen Religion ausgegangen. Zu
Kunstwerken der eigenen
Religion kann eine existenzielle Beziehung hergestellt werden.
Die religiöse
Perspektive ermöglicht einen spezifischen Zugang, der nicht
religiösen Personen
nicht zugänglich ist.“ (S. 116) So etwa sind die Ikonen im
Orthodoxen Christentum
„gleichsam als Fenster zum Göttlichen, als Abbilder der
himmlischen Urbilder
heiliger Personen“ (S. 138) relevant. Beispiele aus der
afrikanischen oder
australischen Kunst zeigen, dass die jeweilige Innenperspektive
geltend gemacht
werden muss, dass „afrikanische Kunst durch ihre Bedeutung für
Afrikaner
[bestimmt werde], nicht durch einen künstlichen, vom Westen
gebildeten
formalistischen Kanon.“ (so Christopher D. Roy, zit. S. 184).
Die Beurteilung
solcher Kunstwerke führt nämlich zu einem Paradoxon: „Wenn
religiöse Kunstwerke
darauf reduziert werden, inwiefern sie einem ‚westlichen‘
Konzept von Kunst
entsprechen, werden sie ihrer religiösen und damit ihrer
eigentlichen Bedeutung
beraubt, soweit diese über künstlerisches Handwerk oder
künstlerische
Originalität hinausgehen. In dem Moment aber, in dem ihre
religiöse Bedeutung
in den Vordergrund gestellt wird, sind sie primär keine
Kunstobjekte. Das
wiederum darf jedoch keinesfalls zu einem Urteil z.B. über die
Aborigines
führen, sie seien ‚ein Volk ohne Kunst.‘“ (S. 206) „Während in
der
wissenschaftlichen Analyse in Teil A die Distanz für die
Außenbetrachtung wesentlich war, so wurde in Teil B der Blick
auf die Beziehung
gerichtet und dazu für eine Annäherung an das
Selbstverständnis eine
Innenperspektive zugrunde gelegt.“ (S. 220)

In Teil C wird eine
Ausstellung zur Sure 57 des Koran
mit Bildmaterial beschrieben. Dabei wird die Sure „in ihrem
interreligiösen
Verhältnis zu entsprechenden Texten des Judentums und des
Christentums gezeigt.
Die Konstruktion der Bilder lässt sich in Kürze folgendermaßen
beschreiben: Es
wurden Verse des biblischen Texts zunächst in seinen
Originalsprachen
Griechisch und Hebräisch auf Blätter gedruckt. Vor dem einzelnen
Blatt hängt im
Abstand von einigen Zentimetern je eine Folie. Auf den Folien
zusammen sind
alle Verse der 57. Sure durchgehend abgedruckt. Durch die Folien
mit dem
Korantext hindurch lassen sich korrespondierende Verse aus der
Bibel erkennen.
Es wird deutlich, in welcher Beziehung die Koranverse zu den
biblischen Versen
stehen. Mitunter bilden sie inhaltlich eine Einheit, so dass
sich die Koranverse
kaum von den biblischen Versen unterscheiden lassen, mitunter
ergänzen sich die
Verse oder die Verse der einen Religion geben denen der anderen
eine weitere
Nuance, führen [sic!] gleichsam eine Erklärung hinzu oder bilden
einen
Kontrapunkt.

Rechts
von diesen Originaltexten befindet sich eine deutsche
Übersetzung der
jeweiligen Verse. Mitunter zeigt sich bei den Texten eine so
deutliche Nähe,
dass sich anhand der Übersetzungen kaum sagen lässt, aus welcher
Schrift sie
stammen und welcher Religion sie zugehören. Zum Teil ergibt sich
aus dieser
Zusammenstellung en neuer, weitgehend flüssiger Text.

 Zu
Beginn und am Ende der Bildseiten mit den Versen der 57. Sure
finden sich
Kalligrafien, die – wie das gesamte Kunstwerk – im Weiteren noch
ausführlicher
erläutert werden.“
(S. 239)

Die ausführlichen Zitate aus
dem hier vorgestellten
Buch haben hoffentlich gezeigt, dass sich dessen Lektüre lohnt
und zum weiteren
Nachdenken anregt.

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Adresse:


Institut für Religionswissenschaft
Leibniz Universität Hannover
Appelstr. 11 A, 30167 Hannover

E-Mail: antes@irw.uni-hannover.de

https://www.irw.uni-hannover.de/de/antes/ 

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