Franz Meurer: Glaubwürdige Kirche inmitten von gesellschaftlicher Vielfalt und Problematik

Franz
Meurer: Glaube, Gott und Currywurst.
Unser Platz ist bei den Menschen

Freiburg u.a.: Herder 2020, 208 S.

ISBN
 978-3451392399
InterreligiöseBibliothek (IRB):
Buch des Monats Mai 2020



– English summary at the end of the review –  Résumé français au bout du compte rendu
 – resumen en español al fin de la reseña



Der
katholische Pfarrer Franz Meurer (geb. 1951) ist durch sein soziales Engagement
und auch durch Auftritte im Radio und im Fernsehen über seine Gemeinde hinaus
bekannt geworden. Er ist ein „kölsches“ Original, das sich in den Kölner Stadtvierteln
(„Veedeln“) als „Arbeiterpriester“ engagiert einsetzt und Kooperationen mit den
evangelischen und muslimischen Nachbargemeinden, Wohlfahrtsorganisationen und
Kultureinrichtungen aufgebaut hat. Seine Gemeindebezirke Höhenberg und Vingst
sind nämlich nicht nur besonders multikulturell geprägt, sondern auch Armut ist
dort ein ständiger Begleiter vieler Bewohner. Aber der Pfarrer kennt eben keine
Grenzen der Religion, der Rasse oder des Geschlechts. Er versteht Kirche von
unten her – aus der Alltagsarbeit heraus – als einen Anlaufpunkt für alle, ohne
Ansehen der Person. Auf die großen Grundsatzfragen der katholischen Kirche:
Frauendiakonat oder gar Frauenpriestertum sowie Zölibat geht er faktisch nicht
ein. Das ist eigentlich schade. Aber immerhin wird von seiner pastoralen Praxis
her deutlich, dass seine Hoffnung nicht eine hierarchische, sondern eine
demokratische Kirche ist 


(S. 165f). Sie erinnert in manchem an das allgemeine Priestertum der Gläubigen,
wie dies in der Reformation betont wurde (S. 101ff). So hat die Gleichberechtigungs-Bewegung
der Frauen Maria 2.0 ebenso einen
Platz in seiner Gemeinde wie Schwule und Lesben: „Zwei der Mitglieder [im
Pfarrgemeinderat] sind offen homosexuell. Der eine lebt seit vielen Jahren mit
dem evangelischen Pfarrer in unserem Stadtteil zusammen“ (S. 11). Aus diesem
Erfahrungshintergrund heraus nennt Meurer in der Einleitung zwei Gründe, warum
er dieses Buch geschrieben hat:
1.  „Früher mussten sich die Menschen vor
den Kirchen rechtfertigen, heute müssen sich die Kirchen vor den Menschen
rechtfertigen“ (S. 7). 2. Die Bibel (1. Petrus 3,15-16) ist für ihn Movens, den
Grund der christlichen Hoffnung in der Praxis des Miteinanders, in aller
Bescheidenheit, aber doch auch rhetorisch wortgewandt umzusetzen (S. 7).
Franz Meurer hat nicht nur das Herz auf der Zunge, sondern er zeigt, dass er
bei allen Ärgernissen und Schwächen seiner (katholischen) Kirche diese
Einrichtung liebt. Seine Kritik ist deutlich, aber es ist eine Kritik, die die
Kirche wieder auf das Wesentliche zurückführen möge – Kirche nicht als
Selbstzweck, sondern zum Nutzen der Menschen.
Theologisch-kirchliche Motivation sind für ihn das 2. Vatikanische Konzil und
Papst Franziskus. So kann sich Kirche in ihrem Handeln von der Basis her
aufbauen, im „schönen Miteinander“, denn „Moral und Ästhetik gehören zusammen“
(S. 147). Dazu gehört auch, den Dialog der Religionen im Sinne des Konzils und
der Bischofskonferenzen und ganz praktisch weiter voranzutreiben (S. 91f). Die
hierarchischen Strukturen geraten mehr und mehr ins Hintertreffen, und auch
Bischöfe müssen nicht ausgegrenzt werden, stattdessen gilt für alle die
„Fußwäscherhierarchie“, wie sie auch Papst Franziskus vorlebt (S. 177f).
Die thematisch etwas sortierten Geschichten haben zum Teil anekdotische
Qualität. Am Schluss gibt es noch praktische Tipps als Anregungen für den
eigenen Bereich. Im Grunde ist das ganze Buch eine aufmunternde, aber auch reflektierte
Beschreibung des täglichen Erlebens eines Pfarrers, der die frohe Botschaft
gern zugespitzt formuliert, um so auch die Praxis des Miteinanders der
Verschiedenen voranzutreiben und Gemeinde als Ort des freigiebigen Willkommens
zu erleben (S. 133f)..
Die Idee zu dem ungewöhnlichen Titel des Buches hat Meurer übrigens bei einem
Gottesdienst im Rahmen des Ev. Kirchentages in Dortmund gefunden, denn Glaube,
Gott und die Begegnungen vor Ort auf Augenhöhe – sozusagen am Currywurst-Stand –
sind Zeichen einer Kirche, die bewusst Kirche des Volkes sein will. „Weil
uns alles geschenkt ist, wollen wir in unserem Viertel auch großzügig sein. Mit
Pommes und Würsten. Mit Liedern im Gottesdienst. Mit dem, was Menschen mögen …“
(S. 20). Auch der notwendige Neubau der Gemeindekirche (2002) nach Schäden
durch ein Erdbeben folgte diesem Motto, das der bekannte Kölner Architekt Paul
Böhm bewusst als Menschenhaus umgesetzt hat (S. 32f). Er hat übrigens auch die
Kölner DITIB-Zentralmoschee entworfen und den Bau geleitet.
Resümee:
Glaubwürdige Kirche
inmitten von gesellschaftlicher Vielfalt, Verschiedenheit und Problematik
Blickt man
zurück, nach diesem quasi virtuellen Durchgang durch Pfarrer Meurers Gemeinde
in Köln, bleiben einige Begriffe haften, die aber hier nicht definiert, sondern
an vielen kleinen und oft so beeindruckenden Ereignissen „durchgelebt“ und
praktiziert werden: Empathie, Solidarität, Orientierung, Bildung und Ausbildung
sowie Gerechtigkeit für die Armen und an den Rand der Gesellschaft
Geschleuderten. Die (katholische) Kirche muss lernen, über den Tellerrand der
oft selbstgemachten Probleme hinauszuschauen und so gerade im aktuellen Weitertragen
der Botschaft Jesu authentisch und glaubwürdig zu werden. Auf einen
missionarischen Anspruch kann dabei getrost verzichtet werden. Das empathische
und fürsorgende Tun – am Vorbild Jesu orientiert – hat tiefer gehende Wirkungen
für ein friedliches Miteinander der Verschiedenen im „Veedel“ (= Stadtviertel).
Damit bekommt die biblische Botschaft von der Versöhnung eine hoffnungsvolle
Ausstrahlung.
English Summary:
Credible Church in the midst of social diversity,
difference and problems
Looking back, after this quasi virtual passage through
Pastor Meurer’s parish in Cologne, some terms remain, but they are not defined
here, but are „lived through“ and practiced at many small and often
so impressive events: Empathy, solidarity, orientation, education and training,
as well as justice for the poor and the marginalized. The (catholic) church
must learn to look beyond the horizon of often self-made problems and thus
become authentic and credible, especially in the current transmission of Jesus‘
message. Thereby one can confidently work without a missionary claim. The
empathic and caring action – oriented at the example of Jesus – has deeper
effects for a peaceful coexistence of the different people in the
„Veedel“ (= urban quarter). This gives the biblical message of
reconciliation a hopeful aura.
Résumé français:
Une Eglise crédible au milieu de la diversité sociale,
de la différence et des problèmes
Rétrospectivement, après ce passage quasi virtuel dans
la paroisse du curé Meurer à Cologne, certains termes demeurent, mais ils ne
sont pas définis ici, mais sont „vécus“ et pratiqués lors de nombreux
petits événements souvent si impressionnants: Empathie, solidarité,
orientation, éducation et formation, ainsi que justice pour les pauvres et les
marginaux. L’église (catolique) doit apprendre à regarder au-delà de l’horizon
des problèmes souvent créés par elle-même et devenir ainsi authentique et
crédible, en particulier dans la transmission actuelle du message de Jésus. On
peut ainsi s’abstenir vraiment d’une revendication missionnaire. L’action
empathique et attentionnée – orientée sur l’exemple de Jésus – a des effets
plus profonds pour une coexistence pacifique des différentes personnes dans le
„Veedel“ (= quartier). Cela donne une aura d’espoir au message
biblique de réconciliation.
Resumen
en español:
Iglesia creíble en medio de la diversidad social, de la diferencia
y de los problemas
Mirando hacia atrás, después de este pasaje casi virtual a través de la
parroquía del cura Meurer en Colonia, algunos términos permanecen, pero no están
definidos aquí, sino que son „vividos“ y practicados en muchas
pequeñas y a menudo impresionantes realidades: empatía, solidaridad,
orientación, educación y capacitación, así como justicia para los pobres y los
marginados. La Iglesia (católica) debe aprender a mirar más allá del horizonte
de los problemas, a veces creados por ella misma, y hacerse así auténtica y
creíble, especialmente en la transmisión del mensaje de Jesús hoy día. Por
tanto, uno puede prescindir en realidad de la reivindicación misionera. La
acción empática y solidaria según el ejemplo de Jesús tiene efectos más
profundos para una coexistencia pacífica de las personas diferentes, en el
„Veedel“ (barrio). Esto le da un aura de esperanza al mensaje bíblico
de reconciliación.
Traducción español: Dr. José María Vigil, Ciudad de Panamá
Reinhard Kirste

Lizenz: CC



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