Muslimische Solidarität für Christen: Die Ermordung eines Priesters und das Beispiel der Al-Azhar-Universität

Dorfkirche
von Saint Étienne de Rouvray

(wikipedia.fr)
„Karawane des Friedens“ 
verneigt sich vor 




27.10.2016 – Radio Vatikan

Wieder so eine Nachricht, die keine großen Schlagzeilen macht, obwohl
sie wichtig ist: Eine Delegation der al-Azhar-Universität von Kairo ist
in Frankreich. Sie hat dort am Mittwoch die Dorfkirche von
Saint-Etienne du Rouvray besucht, in der IS-Terroristen im Sommer den
Pfarrer Jacques Hamel umgebracht haben. Begleitet wurde sie von Bischof
Lebrun von Rouen.

Die al-Azhar ist eine der wichtigsten Autoritäten im sunnitischen
Islam, und sie bezeichnet ihre Aktion als „Karawane des Friedens“. Es
gibt sie also, die muslimischen Verantwortlichen, die sich klar von
Gewalt und Terrorismus distanzieren.

„Die al-Azhar-Universität hat schon ein paar Tage nach dem Mord an
Pater Hamel Kontakt mit uns aufgenommen“, berichtet Vincent Feroldi; der
Priester ist von seiten der Französischen Bischofskonferenz für die
Beziehungen zu den Muslimen zuständig. „Die Dozenten der Universität
waren sehr betroffen über das Drama, das sich abgespielt hatte, und
wollten den Christen ihre Solidarität bezeugen, und zwar am Ort des
Geschehens. Damit wollten sie unterstreichen, dass der Islam eine
Religion des Friedens ist und sein soll, und dass das Geschehene
überhaupt nicht in Einklang zu bringen ist mit dem, was der Islam aus
ihrer Sicht ist.“

Besuch von der al-Azhar-Universität

Zu der Delegation aus Kairo gehören Dozenten der al-Azhar und
Mitglieder des muslimischen „Rates der Weisen“. Eine erste „Karawane des
Friedens“ hatte letztes Jahr Frankreich besucht, nach den Attentaten
auf „Charlie Hebdo“ und den „Hyper Cacher“-Supermarkt. „Es hat auch
schon eine solche Friedenskarawane nach Zentralafrika gegeben, nachdem
dort 2015 blutige Gewalt zwischen Christen und Muslimen hochgekocht war.
Die al-Azhar will sich radikal distanzieren von dieser Gewalt, mit der
der Islam instrumentalisiert und entstellt wird.“

Nun mag ein Kritiker einwenden, dass die Haltung der Kairorer
Lehrstätte durchaus nicht frei ist von Zweideutigkeiten; nicht immer
war, nicht immer ist das Bekenntnis zu strikter Gewaltlosigkeit im
Umgang mit Angehörigen anderer Religionen so deutlich. Doch es tut  gut,
das friedliche Gesicht, das Ägyptens offizieller Islam nach außen
zeigt, übrigens auch in den wieder anlaufenden Gesprächsbeziehungen zum
Vatikan.

Eine Dynamik ausgelöst

„Es ist schön, zu sehen, dass die tragischen Ereignisse in der
al-Azhar-Universität eine Dynamik auslösen. Die Friedens-Karawane wird
in vielen Gesprächen vorbereitet und begleitet; in diesem Frühjahr
konnte eine Übereinkunft zwischen al-Azhar und dem „Institut Catholique
de Paris“ (der katholischen universitären Einrichtung der französischen
Hauptstadt) unterzeichnet werden, darin wurde ein Austausch von Dozenten
vereinbart, und dass Lehrkräfte beider Seiten zu Konferenzen und
Kolloquien der jeweils anderen Universität eingeladen werden. Da bahnt
sich eine Zusammenarbeit auf akademischem Niveau an.“

Der ägyptische Präsident al-Sisi, der sich vor allem auf der
Sinai-Halbinsel mit islamistischen Terroristen auseinandersetzen muss,
steht hinter dem neuen Kurs von al-Azhar, wenn er ihn nicht sogar mit
ausgelöst hat. al-Sisi pocht auf eine gewaltfreie Interpretation von
Koran und Hadith, er ermuntert die Kontakte al-Azhars zum Ausland. Die
Universität fordert mittlerweile dazu auf, die heiligen Texte des Islam
durch die Brille der Vernunft zu lesen. „Das ist wirklich interessant.
Denn sobald man in diesem Bereich an die Vernunft appelliert, ordnet man
die heiligen Texte einer bestimmten, spezifischen Epoche der Menschheit
zu. Das macht sie heute interpretierbar, im Licht der Vernunft und der
zeitgenössischen Kultur.“

(rv 27.10.2016 sk)

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