Das Viele und das Eine.
Für eine
weltoffene Spiritualität.
München: Kösel 2007, 157 S.
ISBN 978-3-466-36762-7
Bergliebhaber Niklaus Brantschen (geb. 1937) gehört zu den intensiven Brückenbauern zwischen Ost und
West. Als langjähriger Leiter des bekannten Lassalle-Hauses in Bad Schönbrunn
(Schweiz) hat er in besonderer Weise versucht, Spiritualität mit einem intensiv
gelebten Alltag zu verbinden. Er ist weit über die Grenzen der
Schweiz hinaus bekannt geworden – auch durch Kurse, die er außerhalb des
Lassalle-Hauses weiterhin gibt.
Autobiografie werden, das sozusagen seine frühere Veröffentlichung fortsetzen würde:
Nun entdecken die LeserInnen keinen Lebenslauf, aber
gewissermaßen Stationen einer spirituellen und interreligiösen Lebensreise.
Diese kreist um die Schwerpunkte: Berge, Brot,
Dialog, Welt, Sinn, Zeit. Alle diese Stationen haben jedoch nicht nur eine
meditative Innenseite, sondern auch eine engagierte, ja geradezu politische
Außenseite. Das sollen die einzelnen Abschnitte / Kapitel verdeutlichen.
Insgesamt nimmt der Jesuit Brantschen damit seine Leser auf einen Übungsweg
mit, der nicht rituell überfrachtet, sondern durch Achtsamkeit und einen weiten
Blick geprägt ist, jeweils eingeleitet durch ein Motto, mit dem die
Zielrichtung des ganzen Kapitels angegeben wird. In die mehr allgemeinen
Überlegungen sind eine Reihe von „Interviews“, besser Gespräche, eingebunden,
die das jeweilige Thema noch einmal unter einem anderen Aspekt aufnehmen.
Symbole von Meditation und
Aktion
gegeben. Dieses Dranbleiben, dieses Nicht-in-einem-Sprung-alles-haben-Können,
sondern nur Schritt für Schritt, Atemzug um Atemzug“ (S.19.)
Mahlzeit und dem Königsweg des Fastens (im Sinne einer Hommage auf Otto
Buchinger) auf: „Das Fasten hat eine mitmenschlich-soziale und politische Dimension
– und es ist doch eines: Es ist der ‚königliche Weg’ …“ (S. 44). Die
Konkretionen eines solchen Verständnisses münden dann in Überlegungen zu einem
„Fasten-Friedensmarsch“ (S. 45ff).
Sprichwort – sagt sehr deutlich, welches der Weg des Brückenbauers Brantschen
ist: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen
Windmühlen“ (S. 53). Es verwundert nicht, dass für den Zen-Praktizierenden dessen
direkte und indirekte Zen-Lehrer hier zu Worte kommen: Yamada Roshi, Tetsugen
Glassman Roshi, Hugo Enomiya-Lassalle (nach dem auch das Meditationshaus in der
Schweiz benannt ist).
Als christlicher Theologe bietet ihm die Position des 2. Vatikanischen Konzils zu Begegnung der Religionen eine wichtige Orientierung für sein eigenes dialogisches Leben.
weil Selbstfindung und Weltfindung zusammengehören: „Zen befähigt jene, die es
ernsthaft praktizieren, ihr ganz konkretes tägliches Leben erst zu nehmen und
die (Arbeits-)Welt zu gestalten. Und was die Geistlichen Übungen (Exerzitien)
nach Ignatius von Loyola betrifft, so verbinden diese ganz klar Kontemplation
und Aktion“ (S. 89). So beginnt die Veränderung der Welt mit einem veränderten
Bewusstsein.
Vertiefung der bisherigen Themen: Essen und Fasten, Dialog der Religionen,
Begegnung mit der Welt, und zwar so, dass Brantschen zu einem besonderen Lernen
anleitet – gewissermaßen in der Schule des Jesus von Nazareth
(S. 116ff):
werden
entwickeln
unter die Haut gehen lassen
In einem besonderen
Abschnitt kommt er dann auf das Verhältnis von Zen und Sinn zu sprechen, um so
das Einssein mit der Welt zu entwickeln und diese Einmaligkeit und
Einzigartigkeit in sich aufzunehmen. Dazu dient Zazen, das stille Sitzen.
Dichter gehört werden. In diesem Schlusskapitel geht es darum, durch
Zeitgestaltung das Leben zu verstehen und ihm eine Form zu geben (S. 131). Zeit
kann man nicht gewinnen. Die Mentalität Zeit-ist-Geld hat teuflischen Charakter, darum
gilt es in der Zeit den Hauch der Ewigkeit zu spüren. Jeremias Gotthelf, Peter
Handke und Aurelius Augustinus geben sich ein ungewohntes, aber durchaus
passendes Stelldichein, dem sich wieder die Zen-Erfahrung zuordnen lässt:
„Zen
ist eine Schule der Präsenz. Wer in diese Schule geht, wird zwar nicht ich-los
werden, aber mehr und mehr ich-frei und damit auch frei vom Zeitdruck“ (S.
140).
Wer sich in eine Übung begibt (die Brantschen empfiehlt), in der Zeit wie
Ewigkeit ist, findet seinen Lebensrhythmus, kann sich von der ständigen
Konzentration auf die Arbeit freimachen, ist fähig sich zu erholen, lernt das
Atmen und tut alles ganz, ohne Vergangenheit zu verdrängen oder „in die Zukunft
zu schlittern“ (S. 145).
dieses Buch wie den 121. Psalm, allerdings in der alten Lutherübersetzung
lesen:
„Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, von welchen mir Hilfe kommt …“
dazu. Er tut dies mit Orientierungsworte, die durch die Praxis des Zen gewissermaßen geläutert wurden. Wichtig werden diese Überlegungen für jede/n – unabhängig davon, ob er/sie mit „Anleihen“ aus dem Osten übt!
Bücher von Niklaus Brantschen
(zusammen mit Pia Giger)
(Autobiografie). Ostfildern: Patmos 2017
Rezension: Luzerner Zeitung vom 13.10.2017: hier