Résumé au bout de l’article – Resumen al final del artículo
Die unterschiedlichen Ausdrucksformen des Religiösen in Vergangenheit und Gegenwart zeigen die Vorläufigkeit aller theologischen Aussagen an. Sie machen differierende Annäherungsweisen an das Göttliche bewusst. Anders gesagt: Wo von der Offenbarung Gottes oder des Göttlichen oder dem Hereinwirken einer anderen Wirklichkeit in die Immanenz die Rede ist, sind dies sprachliche Versuche, das nicht Sagbare wenigstens annäherungsweise in Worte zu fassen.
Durch die Vielfalt der Ausdrucksweisen ist eine umfassende Pluralität in den religiösen Traditionen weltweit bereits vorfindlich. Hier eröffnet sich die Möglichkeit, Ergänzung und Bereicherung der eigenen Glaubensweise zu erfahren. Damit wird der jeweilige Glaube weder nivelliert, noch relativiert, aber die andere Religion wird zur Herausforderung für die Lebensorientierung im Zusammenhang der eigenen religiösen Identität [1]. Zugleich zeigen sich große Ähnlichkeiten im persönlichen und im gesellschaftlichen Handeln sowie bei bei den eigenen Wertevorstellungen und
ethischen Konzepten [2]. Sie betreffen damit den Sinn des Lebens im Blick auf irdische Zielsetzungen, aber auch in Hinsicht auf eine darüber hinausgehende Wirklichkeit.
Man mag dann von Gottes Zuwendung, Erlösung und Heil in den jeweiligen kulturellen Zusammenhängen und Handlungsperspektiven sprechen.
Offensichtlich lassen sich bei der Ethik die Gemeinsamkeiten leichter erkennen als bei den Glaubenslehren, wie das im Weltethos-Projekt von Hans Küng besonders deutlich wird [3]. Daraus lassen sich immerhin ethische Konvergenzen erkennen, wie man das etwa in der Gegenüberstellung von Moses, Buddha, Jesus und Mohammed nachvollziehen kann:
- Judentum: Moses, Begegnung mit Gottes Weisung –
der Gesetzeslehrer und die 10 Gebote. - Christentum: Jesus, das menschgewordene Wort Gittes, der Christus mit der Bergpredigt und den neun Seligpreisungen.
- Buddhismus: Siddharta Gautama, der Buddha, der Erwachte.
mit der Erkenntnis der 4 edlen Wahrheiten und des 8fachen Pfades. - Islam: Der Prophet Mohammed, Das Siegel der Propheten,
geoffenbarte Lebensregeln in den 5 Pfeilern des Glaubens.
- Buddha: Es geht um die vier edlen
Wahrheiten und den achtfache Pfad.
Anders formuliert, könnte man
dieses Konzept auch bei Mose, Jesus und Mohammed finden. - Mose: Zehn Gebote: Diese lassen sich natürlich auch aus den anderen Religionen herauslesen, wenn auch nicht unbedingt als numerische 10 Gebote. Die „Goldene Regel“ bietet hier einen Minimalkonsens.
- Jesus: Die Neun Seligpreisungen sind im Grunde Teil der jüdischen Tradition.
Sie klingen im Koran an; man kann sie ähnlich auch in den
buddhistischen
Lehrreden finden. - Mohammed: Die Fünf Pfeiler des Islam lassen sich auch bei Buddha, Mose und Jesus unter kulturell
anderen Vorzeichen entdecken, denn sie regeln das Leben der Glaubenden im
Alltag.
Aber es geht im interreligiösen Dialog eigentlich um mehr, als nur die Nähe der verschiedenen religiösen Traditionen zu entdecken und ethische Gemeinsamkeiten herauszustellen.
Letztlich konkurrieren zwei religiöse Grundmuster im interreligiösen Dialog miteinander. Letztlich konkurrieren zwei religiöse Grundmuster im
interreligiösen Dialog miteinander. Zuerst fallen meist divergierende
Zielrichtungen in den Blick. Die eigene religiöse Identität wird stark betont.
Bei einer konvergierenden Zielrichtung führt dagegen der interreligiöse
Dialog dazu, den jeweiligen religiösen Standpunkt
zu überprüfen, ihn letztlich zu einem Gehpunkt
zu machen[4].
stammende Bild: „Der eine Mond spiegelt sich in vielen Wassern“ geht von einer
transzendenten Gemeinsamkeit aus. Folgt man
diesem Weg nicht, kann man immerhin Ähnlichkeiten betonen, aber das Trennende bleibt.
So wird eine Differenz-Hermeneutik zum Leitmotiv. Sie nimmt den anderen in seinem
Anderssein durchaus ernst. Das ist hilfreich, weil der Andere in seinem
Anderssein nicht durch die eigene religiöse oder kulturelle Tradition
vereinnahmt werden sollte.
Interreligiöser Dialog wird in diesem Kontext zur
Möglichkeit, Wahrheit als Heils-Wahrheit auf verschiedenen Wegen
zu suchen. Allerdings muss bei diesem Verständnis die Frage beantwortet werden,
welche religiöse Tradition günstigere Voraussetzungen zum Verständnis von
Heils-Wahrheit bietet. Und wer soll die Bewertungskriterien festlegen?
Bei
solcher „Auseinandersetzung“ kann sehr schnell das Ende des Dialogs erreicht
sein. Religiöse Traditionen stehen dann in einem freundlichen Verhältnis
nebeneinander, bleiben aber unter sich. Es ist bei aller Offenheit doch eine
konfessionelle Abgrenzung, weil das Verschiedene Vorrang vor dem Gemeinsamen
und Konvergierenden gewinnt.
Geht man nicht nur von strukturellen Ähnlichkeiten der Religionen aus [5], sondern versucht einen gemeinsamen Urgrund der
Religionen zu denken, dann kommen hier neben der theologischen Dimension spirituelle Erfahrungselemente ins Spiel, wie sie in allen religiösen Traditionen zu finden sind.
Darauf hat bereits John Hick in „The Fifth Dimension. An Exploration of the Spiritual Realm“ hingewiesen [6]. Gerade die Mystik darf für den interreligiösen Dialog und sein Gelingen nicht unterschätzt werden:
Die Religionen mit ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen sind zwar weiterhin präsent, sie sind sich
aber der Vorläufigkeit ihrer Aussagen bewusst.
Diese Tiefendimension des Dialogs bedeutet Korrektur, Bereicherung und Erweiterung der eigenen
Glaubensweise, m.a.W.: die anderen Religionen verändern das eigene Glauben komplementär. In dieser Weise
können sich Religionen von ihrem unterschiedlichen Verständnis her auch in eine
stark säkularisierte Gesellschaft einbringen, weil sie keinerlei Absicht haben, bestimmte Lebensdeutungen absolut zu setzen. Übrigens scheint sich der Religionswissenschaftler Gustav Mensching dieser Position anzunähern, wenn er in seinem Buch „Das Gefühl des Überweltlichen“ (sensus numinis) schreibt, dass der Mensch eine Erkenntnis- und Erlebnisfähigkeit für das Heilige hat, und zwar so, dass das empfindsame Gemüt spürt, wo das Göttliche durchbricht:
![]() |
das nicht der Fall!„
Gustav Mensching: Das Gefühl des Überweltlichen.
München: Beck 1932, 5./6. vermehrte Aufl. S. 268 , digital bereitgestellt von der Universität Marburg |
Es sind mystische Reisewege, die zugleich den ethischen Ausdruck des Handelns suchen,
indem Liebe getan wird, wie neben Ibn Arabi auch andere bezeugen.[10]
Im Grunde hat ihnen der Verfasser des 1. Johannesbriefes indirekt schon die Vorlage geliefert: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bliebt, der bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm“ (1. Joh. 4,16). Und dieser Satz lässt sich auch umdrehen: Liebe ist Gott. [11]
Im Sinne der Ergänzung und Erweiterung bieten mystische Strömungen Möglichkeiten, dogmatische Einengungen zu überschreiten. Die Seele wird dabei zum spirituellen Zentrum, so dass unmittelbare Transzendenz-Erfahrungen spürbar werden, die die Einheit allen Seins ahnen lassen. Solche Erfahrungen können nur sehr unvollkommen wieder in religiöse Sprache umgesetzt werden. Aber die religiösen Traditionen mit ihren unterschiedlich ausgeprägten Aussagen des Glaubens und der Theologie werden so herausgefordert, auf eine Religion jenseits der Religionen zu verweisen, nämlich die Religion der Liebe, die sich in innerer Harmonie und Engagement für den irdischen Frieden realisiert.
español: Dimensiones profundas del encuentro interreligioso.
Más allá de la convergencia ética
ofrecen posibilidades de trascender las limitaciones dogmáticas. El alma se
convierte en el centro espiritual, para que se puedan sentir las experiencias
de trascendencia inmediata, que dan una idea de la unidad de todo el ser. Tales
experiencias sólo pueden ser traducidas al lenguaje religioso de manera muy
imperfecta. Las tradiciones religiosas, con sus declaraciones de fe y de
teología – con diferentes matices –, se ven así desafiadas a referirse a una
religión más allá de las religiones, a saber: la religión del amor, que se
realiza en la armonía interior y el compromiso con la paz del mundo.
[1] Vgl. Reinhard Kirste: Religiöser Pluralismus und Gleichwertigkeit der Religionen.
Thesen – Texte – Literatur (Webseite: Dialog der Religionen):
https://religiositaet.blogspot.com/2019/01/religioser-pluralismus-und.html
[2] Im Sinne einer Übersicht vgl.:
- Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.):
Wertewandel und religiöse Umbrüche.Religionen im Gespräch, Bd. 4 (RIG 4).
Balve: Zimmermann 1996, 671 S. - Ethical and Interfaith
Orientations for a Multireligious Future –
an Open European Sight – Homage for Ashgar Ali Engineer (10.03.1939–14.05.2013), in:
RAJ, P.
Prayer Elmo (ed.):Religion, Politics and Secularism in India.
Essays in Honour of Ashgar
Ali Engineer. New Delhi: Authorspress 2016, p. 247-274 - Das
Christentum und die Idee der Menschenrechte.
In: Hamid Reza Yousefi / Klaus
Fischer / Ina Braun / Peter Gerdsen (Hg.):
Wege zu Menschenrechten. Geschichte
und Gehalte eines umstrittenen Begriffs.
Nordhausen: Bautz 2008, S. 219–240
[3] Weltethos – Goldene Regel – weltweite Verantwortung
unter Einbeziehung des Weltethos-Projekts
von Hans Küng (Dokumentationen und Diskurse):
https://textmaterial.blogspot.com/2012/08/weltethos-und-goldene-regel.html
— Globale Ethik für die Konvivenz der Religionen und Kulturen.
In: DIALOG. Zeitschrift für Interreligiöse und Interkulturelle Bildung Jg. 12, Nr. 22-23 (2013), S. 61–75
[4] Vgl. Reinhard Kirste: Interreligiöse Orientierungen
im Kontext global sich erweiternder Glaubenstraditionen
Tà katoptrizómena – theomag – Nr. 92 (Dezember 2014)
[5] dazu besonders Perry Schmidt-Leukel und seine neuen Zugänge
zu einer interreligiösen Theologie:
https://buchvorstellungen.blogspot.com/2019/04/perry-schmidt-leukel-neue-zugange-zur.html
[6] John Hick: The Fifth Dimension. An Exploration of the Spiritual Realm.
Oxford (UK) / Boston (USA): One World 1999, XII, 274 pp., index
Rezension von Jeferry Long in: Journal of Religion 2006 >>>
— Rezension von Reinhard Kirste:
Der Zusammenhang von Death and Eternal Life (1985) und The Fifth Dimension (1999)
— Mehr zu John Hick >>>
— Vgl auch Raimon Panikkar:
— Buchrezensionen in RIG 4
— Buchrezensionen in RIG 6 (2000), besonders: Iconos del misterio
— Buchrezensionen in RIG 9 (2006), besonders: De la Mística. Experiencia Plena de la Vida
[7]: Vorwort zu:
Reinhard Kirste / Paul Schwarzenau / Udo Tworuschka (Hg.):
Die dialogische Kraft des Mystischen.
Religionen im Gespräch, Bd. 5 (RIG 5). Balve: Zimmermann 1998, S. 11.
[8] Claude Addas: Ibn ’Arabî et le voyage sans retour. (= Ibn ‘Arabî und die Reise ohne
Wiederkehr)
[1996] = Sagesses no. 114, 2015. 139 pp., chronologie.
https://buchvorstellungen.blogspot.com/2016/01/der-mystiker-ibn-arabi-reisen-im.html
Eigene Übersetzung aus der französischen Ausgabe: L’interprète des désirs (aaO S. 117f)
Übersetzung von Stefan Weidner: Der Übersetzer der Sehnsüchte
Salzburg: Jung und Jung 2016, 180 S.
>Reise<-Bekenntnisse von Ibn Arabi, Meister Eckhart und Dorothee Sölle
In: Harald Seubert (Hg.): Orte des Denkens. Festschrift für Hamid Reza Yousefi zum 50. Geburtstag.
Nordhausen: Bautz 2017, S. 291-301
[11] Reinhard Kirste: Liebe aus christlich-biblischer Sicht.
In: THULL, Philipp / YOUSEFI, Hamid Reza (Hg.):
Interreligiöse Toleranz. Von der Notwendigkeit des christlich-islamischen Dialogs.
Darmstadt: WBG 2014, S. 103–111