RUMI – Poetische Zugänge zur Religion der Liebe
Buch des Monats November 2023

Ahmad Milad Karim
ausgewählt, übersetzt und kommentiert: 
RUMI. Du wurdest mit Flügeln geboren
Ostfildern: Patmos 2023, 136 S.
— zweifarbig mit Kalligrafien —

ISBN/EAN: 978-3-8436-1465-8
Verlagsinformation
Leseprobe mit Inhaltsverzeichnis

Hinführung

Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207-1273) gehört zu den berühmtesten islamischen Mystikern, nicht umsonst wird er Maulana/Mevlana „unser Meister“ von seinen Anhängern genannt. In einer Hinführung, zugleich in sehr persönlicher Weise, schreibt Karimi: „Wie kaum ein anderer verzaubert er Menschen mit einem subtilen Charme und zugleich einer hypnotischen Stimme. Mit einem einzigen Handstreich gelingt es ihm, eine ganze Welt zu entwerfen, die mächtig und zerbrechlich genug ist, um uns ganz in ihren Bann zu ziehen. Gerne wollte man Rumi nationalistisch einfangen: Iraner, Afghane, Türke soll er gewesen sein. Gerne wollte man ihn religiös vereinnahmen, aber zugleich auch religiös ablehnen. Hören wir auf ihn hin … Rumi ist nahbar.“
Aber er macht es den Lesenden und Nachsinnenden auch nicht leicht. Er ist „attraktiv“ in besonderer Weise – faszinierend anziehend, aber nicht selten geradezu verstörend.

Rumi sieht in der die universalen Liebe die entscheidende Kraft des Lebens. Im Wesenszentrum des Selbst spielt das Ich keine Rolle mehr. Es ist ein „Lassen“, ein totales Loslassen des Ich, von dem auch Meister Eckhart spricht.
Auf diesem Weg des Suchens nach dem Letzten, der ewigen Wahrheit können Rituale eine Hilfe sein. Der auf Rumi zurückgehende Mevlana-Orden ist dafür mit seinem „Tanz der Derwische“ bis heute ein beeindruckendes Beispiel, so dass Gott im eigenen Herzen gefunden werden kann (sofern das Ritual nicht in die Folklore abgleitet).

Die Auswahl von Karimi macht Rumi als Grenzüberschreiter zwischen Orient und Okzident deutlich, ähnlich einem Vogel, den eine Mauer nicht hindern kann. Es ist dann nicht mehr erstaunlich: Aus welcher (religiösen) Tradition jemand auch immer kommen mag, die Religion der Liebe führt jenseits der organisierten Religionen und Weltanschauungen auf den Weg in das „Zuhause“ der Wahrheit. 
„Wer nach außen schaut, sieht allein das Menschengesicht, Wundersam, ob West oder Osten aus ihnen spricht. Er sprach: >In dir selbst liegt, was Heimkehr verspricht. Schau nach innen: Nichts außer dem Menschen in Sicht!<“ (Diwan, Ruba’i-Nr. 108).
Karimi schreibt dazu: „Wohin führt das Menschsein? Wohin führt der Weg des Lebens? Wohin die Liebe? Bei aller Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit sieht Rumi im Menschen einen Reisenden, der jede Schranke, jede Grenze überwinden kann, um in Berührung mit der Wahrheit zu kommen. Worin aber besteht diese Wahrheit? Sie scheint in der Liebe berührbar zu sein, einer Liebe, die den Menschen schwerelos macht und ihn erkennen lässt: >Du bist mit Flügeln geboren<, um eine viel zitierte Zeile in Erinnerung zu rufen, die Rumi zugeschrieben wird“ (S. 109).
Die Dichtung Rumis wirkt dabei wie ein Vademecum. Der Dichter wird zum spirituellen „Flugbegleiter“ und leitet direkt und indirekt an, immer wieder auf dem Weg der Religion der Liebe – jenseits aller Religionen – sich der letztgültigen Wahrheit anzunähern.

.Es sei angemerkt: Rumis eigenes Leben zeigt eindrücklich den schwierigen Weg eines Pilgers auf dem Weg der Liebe. Ahmad Milad Karimi hat aus dem Diwan, dem Matnavi und einigen weiteren Schriften Rumis Texte ausgewählt. Seine eigene Übersetzung mit den nachsinnenden (durchaus auch informativen Kommentierungen) holt gewissermaßen mystische Poesie des Orients in die Gegenwart. Faszinierend ist, wie sich der aus Afghanistan stammende Karimi in die deutsche poetische Sprache hineingedacht hat, so dass Rumis tiefe Spiritualität auch im Deutschen ästhetisch durchleuchtet. Optisch verstärkend wirken die Kalligrafien von Iyad Shraim, so dass hier wirklich ein Rumi-Meditationsbuch entstanden ist, das vergessen lässt, dass dieser Grenzen überschreitende Brückenbauer bereits vor 750 Jahren starb.

Mehr zu Dschalal ad-Din Rumi (30.09.1207 – 17.12.1273)

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Inhaltsverzeichnis

Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi (* 1979 in Afghanistan), Religionsphilosoph, Islamwissenschaftler,
stellvertretender Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster. 
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Dr. Iyad Shraim, geboren in Amman, Arabisch-Dozent an der Universität Hamburg.
Forschungsschwerpunkte: Literatur und Kunst (mit Kalligrafie), Rezeption der deutschen Literatur
in der arabischen Welt. 
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