„Trialog“ und Auseinandersetzung: Religionsverständnis im Mittelalter – Buch des Monats April 2025

Dorothea Weltecke: Die drei Ringe
Warum die Religionen erst im Mittelalter entstanden sind

München: C.H. Beck 2024, 608 S., 28 Abb., 4 Karten 
— ISBN 978-3-406-81192-0 —
Inhaltsverzeichnis mit Leseprobe

Verlagsinformation

In der Parabel von den drei Ringen streiten die Brüder über das Erbe, das sie von ihrem Vater bekommen haben. Juden, Christen und Muslime waren sich im Mittelalter sehr bewusst, dass ihre Traditionen miteinander verwandt sind. Die Historikerin Dorothea Weltecke zeigt, dass ihre konfliktreiche und dennoch gemeinsame Geschichte in dem großen Raum zwischen Atlantik, Nil und Indus überhaupt erst die exklusiven «Religionen» hervorgebracht hat. 
Das Grab des Propheten Ezechiel in der Nähe von Bagdad war im Mittelalter Ziel von jüdischen, muslimischen und christlichen Pilgern. An diesem und vielen anderen Beispielen zeigt Dorothea Weltecke anschaulich, wie intensiv sich die Glaubensgemeinschaften austauschten. Gemeinsam bauten sie eine neue kulturelle Landschaft. Dass ihre Traditionen miteinander verwandt waren, wussten Juden, Christen und Muslime im Mittelalter. In der Parabel von den drei Ringen streiten die Brüder jedoch über das Erbe, das sie von ihrem gemeinsamen Vater bekommen haben. Problematisch für das Verhältnis der Glaubensgemeinschaften zueinander wurden im Mittelalter nicht ihre Wahrheitsansprüche, sondern neue rechtliche Unterscheidungen zwischen Gläubigen, nur Geduldeten und Nichtgeduldeten. Die Theorien und die Gewalt, mit denen diese Ungleichheit fortlaufend begründet und aufrechterhalten wurde, militarisierten die Grenzen zwischen den Glaubenstraditionen. Damit legt das Buch eindrucksvoll eine Schicht der Religionsgeschichte frei, die vom Lavastrom der Polemik verschüttet wurde.

Rezensionen

>>> Marcel Remme in Lehrerbibliothek (lbib.de)

>>> Stefan Diebitz in Kulturport.de

Thematische Zusammenhänge: 

>>>  Focus: Iberische Halbinsel – Dialog und Auseinandersetzung
— Teil I: Kultur – Religionen – Architektur

— Teil II: Córdoba und Granada

>>> Islamische, jüdische und christliche Philosophie – „Trialog“ nicht nur des Mittelalters

>>> Die Iberische Halbinsel nach 1492 unter christlicher Herrschaft

>>> Míkel de Epalza: Promotor des Iberischen „Trialogs“ – Impulse aus der Geschichte

>>> Lessing, das Judentum und Nathan der Weise

>>> Karl-Josef Kuschel_ Im Ringen um den WAHREN RING. 
Lessings Nathan der Weise. Eine Herausforderung der Religionen. Ostfildern: Patmos 2011

>>> Reinhard Kirste: „Nathan der Weise“ als Anregungsmuster für interreligiöses Lernen (Blog-Portal 2018)

>>> Reinhard Kirste: Der echte Ring in Lessings Nathan (Blog-Portal 2017)

Autorin

Dorothea Weltecke (*1967),
Professorin für Europäische Geschichte des Mittelalters an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Zuvor lehrte sie in Frankfurt am Main. In Konstanz war sie zehn Jahre lang Professorin für die Geschichte der Religionen. Mit ihrer «glänzend geschriebenen Studie» (FAZ) zum Atheismus
«Der Narr spricht: Es ist kein Gott» (2010) ist sie einer größeren Leserschaft bekannt geworden.
>>> Publikationsliste von Dorothea Weltecke

Inhaltsverzeichnis

Verflochtene Traditionen zwischen Antike und Neuzeit … 11

Erster Teil: Orientierung in einer neuen historischen Landschaft   19
1.  Vor der europäischen Hegemonie … 21
2.  Ausblenden ist eine Technik … 42
3.  Vor dem Zeitalter der Religionen … 60
4.  Gesetze, Treue, Lehren … 69
— Raum, Zeit, Ritual … 69 |
— Treue zum «Gesetz»  … 84
— Lehre und Wissen  … 94

5.  Brennpunkte einer gemeinsamen Geschichte … 109
— Das Grab des Propheten Ezechiel bei Bagdad … 110
— Orte der Verehrung in Jerusalem … 116
— Konvergenz, Rivalität und Macht  … 124

6.  Grenzzäune verbinden …131

Zweiter Teil: Lehrdefinitionen und Zugehörigkeiten … 139
1.  Rabbaniten, Karäer und andere Gemeinden …144
— Petachja aus Regensburg begegnet Juden und Minim (jüdische Häretiker)…144
— Benjamin von Tudela macht Unterschiede … 152
— Qirqissani über Karäer und andere Juden … 162

2.  Kirchen und Häretiker … 173
— Apostolische Kirchen in der Zeit von Rabban Sauma und Mar Jahbalaha … 174
— «Über Häresien» aus reichskirchlichen Perspektiven … 185

3.  Ulama, die Gelehrten … 199
— Schulen und Lehren in Ibn Dschubairs Pilgerbericht … 199
— Náubachti und die Gefolgschaften … 209

4.  Polyzentrik und die Verflechtung von Glaubenstraditionen … 218

Dritter Teil: Was die Ringparabeln erzählen 223
1.  Die Parabel von den drei Ringen … 227
— Boccaccios Version … 227
— Lateinische Christen orientieren sich … 231
— Willkür oder Freundschaft … 238
—  Der Streit der Glaubenstraditionen als Familiengeschichte … 242

2.  Geschichten von Einem … 249
— Die Perle … 249
— Der König und die Betrüger … 255
— Der Klügere isst alles auf … 262
— Unteilbar 272…
— Theologengezänk und die Grenzen des Wissens … 277

3.  Eine gemeinsame Kultur der Unterweisung … 284

Vierter Teil: Wahrheit und soziale Ordnung … 289
1. Schreibarten des absoluten Wahrheitsanspruchs … 293
— Kritik am Establishment: Álvaro Pelayo … 293
— Wahrheit als Schutz: Maimonides … 300
—  Prediger in der Kreuzzugszeit: Ali aus Herat … 307

2.  Erkundung der Skala 316 Zweifel am Glauben: Sa’adja  und Georg … 316
— Die Gleichheit der Beweise: Ibn Hasm … 325
— Das Heil der Ungläubigen … 336
— Sich den Hass aus dem Herzen reißen: … Bar Ebrojo 358

3.  Unversöhnlichkeit und Dialog im sozialen Kontext … 369

Fünfter Teil: Herrschaft und Wahrheit … 381
1.  Der Dichter Süßkind und sein Herr … 385
2.  Was Religionsgespräche erzählen 393
Macht macht Wahrheit … 397
— Theodor vertraut dem System … 410 |
— Der mächtigste Gott und seine Getreuen … 424
— Pro et contra: Versöhnung auf Lateinisch … 442
— Jehuda Halevi spielt nicht mit … 455

3.  Soziale Hegemonie und Gewalt … 468
— Die Genese der Religionen … 481

Anhang
Dank … 499 — Zur Umschrift 501 — Anmerkungen 503
Quellen und Literatur … 549 — Bild- und Kartennachweis 604
Personenregister … 606|