Wirtschaftsnobelpreis 2019 und Bekämpfung der Armut

Als Auszeichnung für Forschungen zur
Armutsbekämpfung werden die Ökonomen

Abhijit V. Banerjee
und Esther
Duflo
 sowie
Michael Kremer 
[1] mit dem Nobelpreis für
Wirtschaftswissenschaften 2019 geehrt. Dank etlicher Arbeiten hat sich
die
Entwicklungsökonomie zu einem blühenden Wissenschaftsfeld gewandelt. Denn der
Wirtschaftsnobelpreis wurde bisher meist an Schöpfer komplexer Theorien – und meist
Männern verliehen – in der Regel für Grundlagenarbeiten, die Jahrzehnte
zurückliegen. Nun werden Verfechter einer extremen Methode geehrt: Im Kampf
gegen die Armut setzen sie auf Experimente in Entwicklungsländern im Kontext von Weltwirtschaftsordnung und Wirtschaftsethik.
— Tagesschau 24, 14.10.2019: https://www.youtube.com/watch?v=deokhHiPP1c
Esther Duflo ist die
zweite Frau, die mit dieser Ehrung bedacht wurde.


2009 wurde als erste Frau die US-amerikanische Politikwissenschaftlerin
Elinor Ostrom gemeinsam mit einem
Kollegen ausgezeichnet.
Details: https://de.wikipedia.org/wiki/Elinor_Ostrom
Anlässlich der Ehrung
mit dem Wirtschaftsnobelpreis wird ihr gemeinsames Werk neu aufgelegt:
Abhijit V. Banerjee / Esther Duflo:
Poor Economics: A Radical Rethinking of the Way to Fight Global Poverty.
New York et alii: Perseus Books 2011, Reprint 2012,
320 pp.


— Weitere Informationen
:
https://www.perseusbooks.com/?s=Duflo
Hompepage “Poor Economics”: http://web.archive.org/web/20190414231629/www.pooreconomics.com/
Deutsche Ausgabe:
Poor Economics. Plädoyer
für ein neues Verständnis von Armut.
München: Random House 2019, 384 S.
— ISBN:
978-3-570-55430
 
Die ZEIT
schrieb dazu: »So ehrlich beobachtet, nachgefragt, experimentell belegt und
ohne Rücksicht auf politische Korrektheit aufgeschrieben, wurde das alles noch
nie. Das macht ‘Poor Economics’ zu einem sehr wichtigen Buch«.
Alle
Konzepte für den Kampf gegen Hunger und Armut können nicht greifen, wenn sie
auf falschen Annahmen basieren. Esther Duflo und Abhijit V. Banerjee reisen in
arme Länder und untersuchen mithilfe von Zufallsexperimenten und
Kontrollgruppen, eigentlich einer naturwissenschaftlichen Methode, was gegen
Hunger, Armut und Misswirtschaft wirklich hilft und was nicht. Als Beispiel nennen sie die
Bildungssituation von Kindern in Entwicklungsländern: In vielen armen Ländern
gehen Kinder kaum oder nur unregelmäßig zur Schule, viele brechen die Schule
vorzeitig ab, viele kommen nicht mit,und lernen nur wenig. Aber die Gründe hierfür
sind hoch komplex. Es kann sein, dass Schulen und Lehrerinnen und Lehrer fehlen,
dass die Sicherheitslage instabil ist, dass die Kinder aus Hunger gar nicht
erst den Schulweg antreten können oder sie zu Hause auf dem Feld oder dem Markt
mitarbeiten müssen.
Die sich hier Engagierenden und Geehrten sind Teil eines Netzwerks von Armutsforscherinnen und -forschern und
allein am
Abdul Latif Jameel Poverty
Action Lab
sind mehr als 100 Wissenschaftler tätig. Details: https://www.povertyactionlab.org/
Über diese Einrichtung ist eine weitere große Vielzahl von  Forschern und Forscherinnen – überall auf der Welt – miteinander vernetzt:  Dazu
gehören auch Beiträge des Göttinger Wissenschaftlers Stephan Klasen zur Armutsforschung sowie zu geschlechtsspezifischer Ungleichheit in
Entwicklungsländern. [2]
Der
britische Ökonom
Angus Deaton – 2015
selbst mit dem Nobelpreis für seine Armutsforschung ausgezeichnet – meinte allerdings, dass
für diese Forschung aufwendige und langwierige Experimente erforderlich sind,
bei denen oft Tausende Menschen jahrelang beobachtet werden müssen. Das sei
teuer und bringe am Ende wenig.
  Die
Stichproben seien oft zu klein für verlässliche wissenschaftliche Aussagen. Man
müsse der Methode „den Heiligenschein nehmen“ und sie als „ein
menschliches Ding ansehen, mit all ihren Fehlern“. Doch Duflo meinte, in vielen
Ländern seien „viele Menschen tief besorgt über ihre Stellung in der Welt; sie meinen, ihre Würde verloren zu haben und nicht mehr den Platz zu haben, den
sie zu verdienen glauben“. Der Armutsfalle entkommen nämlich viele Arme nicht. Sie bleiben dauerhaft arm – auch, weil sie ihre Hoffnung verloren haben.
 
Bei
der Entwicklungshilfe gibt es ebenfalls zu wenige Belege für die Erfolge bestimmter
politischer Maßnahmen. Die Entwicklungspolitik hat es daher schwer. Im
Gegensatz zu den großen Fragen der Außen-, Innen-, und Wirtschaftspolitik steht
sie selten im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die immer
wiederkehrenden humanitären Katastrophen in vielen Teilen der Welt sorgen nur
für kurze Aufmerksamkeit.
Hier muss sich grundlegend etwas ändern!
Prof. Dr. Eckhard
Freyer, Bonn

Archiv/Freyer-Wirtschaftsnobelpreis 2019

CC

[1]  Esther
Duflo
,
geboren 1972 in Paris, ist Professorin für Armutsbekämpfung und
Entwicklungsökonomie am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wo sie
zusammen mit
Abhijit V. Banerjee das »Poverty Action Lab« gründete, das ein
weltweites Netz von Soziologen und Ökonomen koordiniert. Duflo erhielt 2011 die
John Bates Clark Medal, nach dem Nobelpreis als wichtigste Ehrung für Wirtschaftswissenschaftler.
2019 wurde sie gemeinsam mit Ehemann Abhijit V. Banerjee mit dem
Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet.

Abhijit V. Banerjee, geboren 1961 in
Bombay, gehört ebenfalls zu den renommiertesten Wirtschaftswissenschaftlern der
Welt. Er ist Professor am MIT (Massachusetts Institute of Technology an der
Universität Cambridge, USA) und berät die UNO, die Weltbank und die indische
Regierung.


Details:
https://de.wikipedia.org/wiki/Massachusetts_Institute_of_Technology
Michael Kremer, geboren 1964, stammt aus einer jüdischen Familie. Er schloss sein Studium an der Harvard University ab (1985 mit einem Bachelor in Sozialwissenschaften und 1992 mit einem Doktortitel in Wirtschaftswissenschaften). Er war von 1992 bis 1993 Postdoc am Massachusetts Institute of Technology (MIT), im Frühjahr 1993 Gastdozent an der University of Chicago und von 1993 bis 1999 Professor am MIT. Seit 1999 ist er Professor an der Harvard Universität.

[2] Überlegungen anlässlich der Verleihung der
Ehrendoktorwürde an den Wirtschaftswissenschaftler
Stephan Klasen –an der Universität
Jaume I Valencia:
 https://www.youtube.com/watch?v=3JlWnjFM6I8 
https://intra-tagebuch.blogspot.com/2018/04/uberlegungen-anlasslich-der-verleihung.html

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