Eine Welt ohne Krieg – ‘Abdu’l-Bahá und der Diskurs zu Globalem Frieden

Hoda Mahmoudi / Janet A. Khan:

A World Without War – ‘Abdu’l-Bahá and the Discourse for Global Peace

Baha’i Publishing (USA) 2020, X, 228 pp., index

ISBN-10‏ : ‎1618511645 — ISBN-13‏ : ‎978-1618511645

Inhaltsverzeichnis und Blick ins Buch / contents and extract

A World Without War stellt eine beeindruckende Studie zur Friedensthematik aus Sicht der Bahá’í Religion dar, wobei im Mittelpunkt des Buches, wie es der Untertitel betont, die Persönlichkeit ‘Abdu’l-Bahás (1844-1921) und dessen Beitrag zum globalen Friedensdiskurs seiner Zeit steht. Die Autorinnen dieser Publikation, Hoda Mahmoudi und Janet Khan, sind beide hervorragende Kennerinnen der Bahá’í Religion. Beide haben über viele Jahre hinweg an der Forschungsabteilung des Bahá’í Weltzentrums in Haifa gewirkt und zahlreiche Publikationen zur Geschichte und Lehren dieser Religion in englischer Sprache veröffentlicht. Hoda Mahmoudi hat zudem seit einigen Jahren den Bahá’í Lehrstuhl zur Weltfriedensthematik an der Universität von Maryland inne.

Das Buch ist 2020 im Bahá’í Publishing Trust der US-amerikanischen Gemeinde erschienen, und die Autorinnen konnten sich zum Zeitpunkt des Erscheinens ihrer Publikation sicher nicht vorstellen, wie brand-aktuell das ausgewählte Thema ihrer Arbeit schon bald sein würde. Zu einem Zeitpunkt, da unser europäischer Kontinent, oder zumindest ein Teil hiervon, sich wieder einmal im Krieg befindet, ist das Erscheinen eines solchen Bandes nicht nur am Puls der Zeit, sondern vermag auch wichtige Einsichten zu geben: Einsichten, die dringend nötig sind, wenn wir uns dem Idealzustand eines dauerhaften und globalen Friedens wirklich annähern wollen. Ist doch eine zentrale Aussage der Friedensbotschaft der höchsten Körperschaft der Bahá’í Administration, dass „Weltfriede nicht nur möglich, sondern unausweichlich ist.“[1]Oder wie es ‘Abdu’l-Bahá selbst, um bei dem Protagonisten dieser Publikation zu bleiben, in seinem ersten Brief an die Zentralorganisation für Frieden in Den Haag formulierte: „Es gibt keine Seele, deren Gewissen nicht bezeugte, dass es heutigen Tages nichts Wichtigeres auf der Welt gibt als den Weltfrieden.“[2]

Was erwartet uns nun in diesem knapp 200-seitigen Buch, das in acht Kapitel eingeteilt ist?  Im ersten Abschnitt erhält der Leser einen Überblick in die Hauptthemen des Buches. Im nachfolgenden Kapitel wird eine knappe Einführung in den Bahá’í Glauben geboten, wobei der Schwerpunkt von Anbeginn an auf der Friedensthematik liegt. Zentrale Lehren des Glaubens, die für eine ganzheitliche und integrative Herangehensweise an die Friedensthematik stehen, werden hier eingehender geschildert. Kapitel drei und vier des Buches befassen sich mit dem vorherrschenden Zeitgeist vor dem ersten Weltkrieg. Zum einen wird ein Blick auf die destruktiven Kräfte geworfen, die schließlich in die Katastrophe des ersten Weltkrieges münden. Zum anderen werden auch die integrativen und konstruktiven Leistungen der Zeit, welche die Innovations- und Lernfähigkeit der Menschheit erahnen lassen, aufgezeigt. Das vierte Kapitel thematisiert vor allem die ersten internationalen Friedenskonferenzen in Haag, die gegen Ende des langen 19. Jhd. stattfanden und geht auf die Ansichten und Absichten der Haager Zentralorganisation für einen dauerhaften Frieden, sowie auf die späteren Gründe für die Beendigung ihrer Arbeit ein.

Ab dem fünften Kapitel des Buches rückt dann die Persönlichkeit ‘Abdu’l-Bahás und seine Schriften in den Mittelpunkt des Geschehens. Besonders sein Beitrag zum Friedensdiskurs der westlichen Welt wird hier beschrieben. In diesem Zusammenhang werden zunächst seine Sendbriefe an die Nordamerikanische Bahá’í Gemeinde, die sogenannten „Sendschreiben zum göttlichen Plan“, im Hinblick auf ihre Friedensaspekte untersucht. Und im nachfolgenden sechsten und siebten Kapitel werden seine Briefe, die er an die zuvor erwähnte Haager Friedensorganisation richtete, analysiert. Im sechsten Kapitel, um etwas genauer zu sein, wird der historische Kontext zu den Haager Briefen gegeben, wobei auch ein kurzer Exkurs in die soziopolitischen Bedingungen des damaligen Irans geboten wird – auch deshalb, weil die Überbringer der Briefe an Den Haag aus der persischen Bahá’í Gemeinde stammten. Das nachfolgende siebte Kapitel wiederum geht kurz auf die Entstehung des Völkerbundes ein und befasst sich anschließend mit dem Inhalt der Briefe. Die Autorinnen betonen in diesem Zusammenhang, dass der Weltfriede, laut diesem Brief, nur auf dem Fundament einer „Einheit des Gewissens“ (unity of conscience) in der Menschenwelt errichtet werden kann. Zudem wird unsere Aufmerksamkeit auf den ganzheitlichen Ansatz ‘Abdu’l-Bahás gelenkt. Dieser besagt, dass der Friede nicht dadurch erlangt werden kann, dass man sich ausschließlich um die Idee des Friedens dreht. Zur Errichtung eines dauerhaften Friedenszustandes müssen zuvor (oder zugleich) zahlreiche andere Prinzipien komplementär berücksichtigt und diverse Missstände in unserer Mitte behoben werden. Solche Prinzipien werden im Brief von ‘Abdu’l-Bahá ebenfalls kurz benannt.

Im letzten und achten Kapitel wird vorgeschlagen, den Bahá’í Ansatz zur Friedensthematik als einen zweifachen zu betrachten: Die erste Ebene befasst sich mit der Kultivierung eines Weltbewusstseins (world consciousness), die eine organische Vereinigung der Menschheit impliziert und erst einmal im Denken der Menschheit Fuß fassen muss. Die zweite Ebene hingegen betrifft die ganz praktische Dimension, eine Art von „global governance“ zu errichten, die in der Lage sein muss die notwendigen Mittel zur Aufrechterhaltung von kollektiver Sicherheit in unserer Welt bereitzustellen. Dieser Abschnitt skizziert auch einige zentrale Bemühungen des späteren 20. Jh., reflektiert darüber, warum wir im Zustand eines „unfinished business of peace“ – ein Gedankengang, der schon gegen Ende des vierten Kapitels im Zusammenhang mit der Haager Entwicklung formuliert wurde steckengeblieben sind, und betont noch einmal, dass ein weltweiter Frieden nur im Sinne eines allmählichen Prozesses verstanden werden kann.    

A World Without War ist ohne Zweifel eine große Bereicherung für all jene, die sich ernsthaft mit der Frage von Religion und Frieden in unserer heutigen Zeit befassen. Der Leserschaft wird ein durchaus komplexes Thema sehr zugänglich vermittelt, während der akademische Standard gewahrt wird. Schade ist nur, dass die Perspektive Shoghi Effendis und die Phase des zweiten Weltkrieges in diesem Buch zu kurz kommt. Vielleicht kann dies aber auch als Anlass für einen weiteren Nachfolgeband gesehen werden, dessen Augenmerk dann auf die Periode nach dem Wirken ‘Abdu’l-Bahás liegt.

Dr. Sasha Dehghani,
Speyer (Deutschland) & University of Maryland (USA)
Dezember 2022

Mehr zu den Autorinnen:

Prof. Dr. Hoda Mahmoudi, University of Maryland (USA)

Dr. Janet A. Khan, Baha’i-Autorin (Australien und USA)

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[1] Siehe Das Universale Haus der Gerechtigkeit, „Die Verheißung des Weltfriedens“, Oktober 1985, in:
Die Menschheit am Wendepunkt, Hofheim 2015, S. 11.

[2] Siehe ‘Abdu’l-Bahá, Briefe und Botschaften, Hofheim 1998, Nr. 227, S. 347.